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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer
Autoren: Diana Gabaldon
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der Schlacht retten und dann selbst in den Kampf ziehen.«
    Claire, die sich etwas erholt hatte, nickte.
    »Er wußte, wie schlecht seine Aussichten standen. Wenn er den Engländern in die Hände fiel… lieber wollte er im Kampfgetümmel sterben. So hatte er sich das vorgestellt.« Sie wandte sich zu Roger um. »Ich kann nicht glauben, daß er davongekommen ist, wo so viele Männer getötet wurden und er sterben wollte!«
    Fast die halbe Hochlandarmee war dem Kanonenfeuer und den Musketensalven der Engländer zum Opfer gefallen. Aber nicht Jamie Fraser.
    »Nach dem Absatz aus Linklaters Buch zu urteilen…« Roger nahm den weißen Band mit dem Titel Der Prinz in der Heide aus dem Regal.
    »Nach der Entscheidungsschlacht von Culloden«, las er, »suchten achtzehn jakobitische Offiziere, allesamt verwundet, Zuflucht in einer alten Kate. Zwei Tage lagen sie dort in Schmerzen, ohne
daß ihre Wunden versorgt wurden. Dann führte man sie zur Hinrichtung hinaus. Einer der Männer, ein Fraser aus dem Regiment des Herrn von Lovat, entkam dem Gemetzel; die anderen wurden am Rande des Feldes bestattet.
    Seht ihr?« Er ließ das Buch sinken und blickte die beiden Frauen ernst an. »Ein Offizier aus dem Regiment des Herrn von Lovat.« Dann nahm er die Blätter mit der Musterungsliste wieder auf.
    »Und hier sind sie. Aber nur sechs. Inzwischen wissen wir, daß der Mann in der Kate nicht der junge Simon gewesen sein kann. Der ist eine namhafte Figur, und wir kennen sein Schicksal. Er zog sich mit einer Gruppe seiner Männer aus dem Schlachtgetümmel zurück - und zwar unverwundet - und kämpfte sich nach Norden durch, bis sie Burg Beaufort hier ganz in der Nähe erreichten.« Er wies auf das wandbreite Fenster, durch das blaß die Abendlichter von Inverness schimmerten.
    »Aber der Mann, der aus dem Bauernhaus entkam, gehörte auch nicht zu den vier Offizieren - William, George, Duncan und Bayard«, sagte Roger. »Und warum nicht?« Fast schon triumphierend nahm er einen anderen Bogen aus dem Ordner. »Weil sie alle vier in Culloden getötet wurden. Ihre Namen stehen auf einer Tafel in der Kirche von Beauly.«
    Claire atmete langsam aus. Dann ließ sie sich in den alten ledernen Drehstuhl hinter dem Schreibtisch sinken.
    »Herr im Himmel!« seufzte sie. Sie schloß die Augen, stützte die Ellenbogen auf und senkte den Kopf auf die Hände, so daß die dichten, haselnußbraunen Locken ihr Gesicht verdeckten. Brianna legte ihr die Hand auf den Rücken und beugte sich besorgt über sie. Anders als ihre Mutter war sie groß und schmal. Ihr rotes Haar schimmerte im Licht der Schreibtischlampe.
    »Wenn er nicht gestorben ist…«, setzte Brianna vorsichtig an.
    Claire fuhr auf. »Aber er ist tot!« rief sie. Ihr Gesicht wirkte angespannt, und feine Linien zeichneten sich unter ihren Augen ab. »Um Himmels willen, das ist zweihundert Jahre her! Ob er nun in Culloden starb oder nicht, jetzt ist er tot!«
    Bei der heftigen Antwort ihrer Mutter wich Brianna zurück.
    »Stimmt«, flüsterte sie. Roger sah, daß sie mit den Tränen kämpfte. Kein Wunder, dachte er. Schließlich mußte sie zuerst erfahren, daß der Mann, den sie ihr ganzes Leben lang geliebt und
Vater genannt hat, gar nicht ihr Vater war, und dann stellte sich heraus, daß ihr richtiger Vater aus dem schottischen Hochland stammte und vor zweihundert Jahren gelebt hatte. Und überdies deutete alles darauf hin, daß er eines schrecklichen Todes gestorben war, undenkbar weit fort von seiner Frau und dem Kind, für das er sich geopfert hatte. Das alles war wohl mehr als genug, um einen gründlich durcheinanderzubringen.
    Er ging auf Brianna zu und strich ihr über den Arm. Sie sah ihn geistesabwesend an und rang sich ein Lächeln ab. Rasch schloß er sie in die Arme. Obwohl sie ihm in ihrem Schmerz leid tat, genoß er es, ihren weichen, warmen Körper zu spüren.
    Claire saß reglos am Schreibtisch. Die gelben Falkenaugen schienen weicher geworden, versunken in Erinnerungen. Blicklos hingen sie an der Pinnwand voller Notizen und Gedächtnisstützen, die Reverend Wakefield, Rogers verstorbener Adoptivvater, hinterlassen hatte.
    Als Roger seinen Blick dorthin wandte, sah er die Einladung zur Jahresversammlung der Gesellschaft der Weißen Rose - jener fanatischen Exzentriker, die noch immer nach der schottischen Unabhängigkeit strebten und Charles Stuart und den Helden, die ihm gefolgt waren, schwärmerisch huldigten.
    Roger räusperte sich leise.
    »Äh… wenn Jamie nicht in
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