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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod
Autoren: Linwood Barclay
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Vitamin-D-Mangel. Was er brauchte, war eine Woche auf den Bermudas. Da war er zwar noch nie gewesen, trotzdem hätte er mir mit Sicherheit die Namen aller dortigen Hotels samt Adresse sagen können.
    »Ich sagte Louvre. Was glaubst du wohl, von welcher Stadt ich da rede? Louvre, Louvre, denk mal nach.«
    »Ja, natürlich«, sagte ich. »Paris. Du redest von Paris?«
    Er nickte aufmunternd, ja direkt begeistert. Er war mit seinem Teller Hackbraten aus der Tiefkühltruhe schon fertig, während ich von meinem noch nicht mal die Hälfte gegessen hatte. Mehr würde ich wahrscheinlich auch nicht hinunterbringen. Da hätte ich noch lieber Schaumpappe mit Butter drauf gegessen. Er saß auf seinem Stuhl, den Oberkörper schon der Treppe zugewandt, so, als mache er sich bereit, im nächsten Moment aufzuspringen und nach oben zu stürmen. »Gut, du willst also zum Louvre. Wie gehst du?«
    »Ich habe keine Ahnung, Thomas«, sagte ich müde. »Ich weiß, wo der Louvre ist. Ich war auch schon im Louvre. Mit siebenundzwanzig hab ich sechs ganze Tage dort verbracht, als ich in Paris war. Ich habe einen Monat in Paris gelebt. Einen Kunstkurs besucht. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo das Hotel sein soll, von dem du redest. Ich hab nicht in einem Hotel gewohnt, sondern in einem Hostel.«
    »Das Pont Royal«, sagte er.
    Ich sah ihn verständnislos an und wartete.
    »In der Rue de Montalembert«, fügte er hinzu.
    »Verdammt noch mal, Thomas, was weiß denn ich –«
    »Die geht direkt von der Rue du Bac ab. Komm schon. Es ist ein altes Hotel, ganz aus grauem Stein, hat eine Drehtür, die aussieht, als wäre sie aus Nussbaum oder so, und gleich daneben ist ein Röntgenlabor oder etwas in der Art, da steht nämlich Mammographie und Radiologie über den Fenstern, und in der Etage darüber … das könnten Wohnungen sein, da stehen nämlich Pflanzen in Tontöpfen vor den Fenstern, und insgesamt hat das Haus acht Geschosse, und links neben dem Hotel ist ein Restaurant, das sehr teuer aussieht, mit einer schwarzen Markise und dunklen Fenstern, und es stehen keine Tische und Stühle davor wie sonst meistens vor Pariser Cafés, und –«
    Das alles aus dem Gedächtnis.
    »Ich bin echt müde, Thomas. Ich musste heute zu Harry Peyton.«
    »Nichts ist leichter, als von hier zum Louvre zu kommen. Man kann ihn fast schon sehen, wenn man aus dem Hotel kommt.«
    »Willst du gar nicht wissen, wie’s beim Anwalt war?«
    Er gestikulierte eifrig vor meiner Nase herum. »Du gehst über die Rue de Montalembert und dann über so ein dreieckiges Stück Gehsteig, und dann bist du in der Rue du Bac, und dann gehst du rechts und geradeaus, dann überquerst du die Rue de l’Université, dann weiter geradeaus, über die Rue de Verneuil – ich weiß nicht, ob ich das alles richtig ausspreche, ich hab ja in der Highschool nicht Französisch gehabt – und da an der Ecke ist dieser Laden mit den süßen Teilchen im Schaufenster, die sehen echt lecker aus, und Brot gibt es da auch, und dann kommt die Rue de Lille, aber du gehst immer weiter und –«
    »Mr. Peyton hat gesagt, Dad hat sein Testament so gemacht, dass uns das Haus gemeinsam gehört.«
    »– und wenn du geradeaus schaust, dann siehst du ihn schon. Den Louvre, mein ich. Obwohl er am anderen Flussufer steht. Du gehst weiter, dann über die Straße, die heißt Quai Anatole France, aber nur links, rechts heißt sie Quai Voltaire, und du hältst dich leicht rechts, gehst aber über die Brücke drüber. Das ist der Pont Royal. Ich glaube Pont heißt Brücke. Und wenn du auf der anderen Seite bist, stehst du direkt davor. Siehst du, wie einfach das war? Da muss man nicht ständig abbiegen, mal links, mal rechts. Du gehst raus aus dem Hotel, einmal rechts und gleich bist du da. Jetzt machen wir was Schwierigeres. Sag mir den Namen eines Hotels in irgendeinem anderen Stadtteil, und ich sag dir, wie du hinkommst. Auf dem kürzesten Weg. Manchmal gibt es hundert verschiedene Möglichkeiten an ein und denselben Ort zu kommen, aber die Entfernung ist immer ungefähr dieselbe. Wie in New York. Na ja, nicht ganz wie in New York, in Paris laufen die Straßen nämlich kreuz und quer und nicht normal zueinander, aber du weißt schon, was ich meine, oder?«
    »Thomas, du musst mir jetzt einen Moment zuhören«, sagte ich geduldig.
    Er blinzelte ein paarmal. »Was ist denn?«
    »Wir müssen über Dad reden.«
    »Dad ist tot.« Wieder sah er mich an, als wäre ich ein bisschen minderbemittelt. Dann
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