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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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Kindern fehlgeleitete Wißbegier als Ursache unterstellen, so wird die Angelegenheit bei Erwachsenen schnell abgründig. Man bewegt sich im Reich kranker Geister. Fest steht jedenfalls – und das ist durch die Forschung gestützt –, daß Menschen, die Tiere spaßeshalber quälen und töten, in der Regel kaum Hemmungen haben, dies auch bei ihresgleichen auszuprobieren. Insofern ist Tierquälerei auch für das Menschengeschlecht eine große Bedrohung.
    Exzellente Analyse! Doch was nützte sie mir? Gar nichts. Denn ich hatte nun nicht nur den Tod dieses armen Teufels zu beklagen, sondern mußte mir auch noch den vorweihnachtlichen Frieden von der Erkenntnis vergiften lassen, daß unsereiner vor der eigenen Haustür seines Fells nicht mehr sicher war. Tierquäler und -mörder sind nämlich Serientäter, haben sie einmal Blut geleckt, lassen sie von ihrer Leidenschaft schwerlich ab. Meine Überlegungen, meine detektivischen Instinkte zu reaktivieren und so dem Unhold auf die Spur zu kommen, konnte ich ebenso verwerfen, da ich einem Menschen, zumal einem vermutlich gemeingefährlichen, nicht so ohne weiteres das blutige Handwerk zu legen vermochte. Was wiederum schnurstracks zu dem bereits vor der Auffindung der Leiche gefaßten Entschluß zurück führte, im Sauseschritt heimwärts zu eilen. Dort würde ich in den nächsten Tagen, Wochen, ja warum nicht gleich Monaten, unter Darbietung würdelosen Schmierentheaters für Gustav den Todkranken mimen, damit er mich nicht noch einmal nach draußen jagte.
    Ich sprang vom Becken hinunter und peilte die Mauer an, über die ich gekommen war. Während ich den Garten durchquerte, tasteten meine Augen unruhig die Umgebung ab. Sie hatte sich inzwischen völlig verändert. Die Zuckerbäckeridylle glich einer Falle mit riesenhaften Dimensionen, der romantische Schneemantel hatte sich in einen zähen, heimtückischen Belag verwandelt, der nur existierte, um meine Flucht zu behindern. Büsche und Bäume ähnelten auf einmal Schattenwesen, die unheilvolle Dinge im Schilde führten, und das in der Finsternis daliegende alte Haus wurde zur Höhle eines Meuchlers, der gerade ein weiteres Stück Kordel abschnitt, um damit jeden Augenblick den Garten zu betreten. Natürlich wußte ich, daß dies alles auf Einbildung beruhte. Viel wahrscheinlicher war, daß der Mörder zumindest für den heutigen Tag in Sachen Sadismus genug hatte und in der Erinnerung an die begangene Tat schwelgte.
    Endlich hatte ich die Mauer erreicht und wollte zum Sprung ansetzen. Einer alten Gewohnheit folgend, riskierte ich einen Blick zurück, um mir die Topographie des Tatorts zwecks späterer Kombinationen exakt einzuprägen: der Wandbrunnen an der gegenüber befindlichen Mauer, am Wasserhahn baumelnd der Erhängte, linker Pfote das dunkle Haus, dazwischen der verschneite Rasen, in der Mitte die Laube ...
    ... und diagonal vis-à-vis das weißlich glühende Augenpaar im Mauerwinkel!
    Schlagartig wich der Frost aus meinen Gliedern, und als hätte man mich mit siedend heißem Wasser übergossen, sprang meine Körpertemperatur um Höllengrade nach oben. Denn mit der Gewißheit eines feinen Meßinstruments wußte ich: Diesmal war es keine Einbildung. Ich sah die schattenhafte Gestalt hinter dem Geflecht von ineinandergewachsenen Pflanzen und kahlen Ästen gebückt in der Ecke kauern und mich aus Augen, die wie von innen beleuchtet waren, anstarren. Es handelte sich bei ihr keineswegs um ein Phantom, das meine angstverseuchte Phantasie erzeugt hatte. Nein, es bewegte sich nahezu urmerklich und mit ihm das Pflanzendickicht, in dem es sich verborgen hielt, so daß der Schnee von den Ästen und Blättern herunterrieselte. Sein warmer Atem stieg wie geisterhafter Dampf zwischen den Ästen empor und löste sich in der kalten Luft auf. Doch das Schaurigste war der Gedanke, daß das Ungeheuer mich vermutlich seit meinem Eintreffen an diesem verfluchten Ort heimlich beobachtet hatte.
    Von wegen genug für heute! So wie es jetzt aussah, schien der Erhängte sogar ein Köder für weitere potentielle Opfer zu sein. Gleich würde das Monstrum aus seiner Deckung hervorbrechen, wie ein Pfeil auf mich zuschießen und meinen zarten Hals zu bearbeiten beginnen. Dennoch und ausgerechnet in dieser brenzligen Situation meldete sich meine alte, ach so selbst zerstörerische Leidenschaft, meine verdammte Neugier. Ich verharrte auf der Stelle und versuchte, mir aus den sichtbaren Details etwas Gescheites zusammenzureimen. Es war ohne Zweifel
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