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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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nach wenigen Schritten beschlich mich ein Frösteln, was jedoch weniger von der eisigen Temperatur herrührte als vielmehr von einer entsetzlichen Ahnung. Je näher ich nämlich dem Wandbrunnen kam, desto unübersehbarer war es, daß die seltsame Statue unter dem Wasserhahn tatsächlich in Bewegung war oder, genauer gesagt, durch den Wind fast unmerklich hin- und herschwang. Und als ich nur noch ein paar Meter vom Objekt der Beunruhigung entfernt war, da gewahrte ich die von Schneeflocken gesäumte Linie, die vom Hinterkopf aufwärts zum Wasserhahn führte. Sie hatte aus der Ferne mit dem weißen Hintergrund optisch eine Einheit gebildet und war deshalb nicht zu erkennen gewesen. Schließlich stand ich vor dem Wandbrunnen, und wie ein Tropfen schwarzer Tinte, der sich in einem Glas Wasser quallenartig ausbreitet, begann mich ein unvorstellbares Grauen zu erfassen und ließ mich vor Anspannung erzittern. Die Augen quollen mir hervor, und für ein paar Takte setzte mein Herzschlag aus.
    Denn es war weder ein Relief noch eine Statue, was den Wandbrunnen als Schmuck zierte, sondern ein Artgenosse aus Fleisch und wohl gefrorenem Blut, der, mit einer Kordel stranguliert, am Wasserhahn baumelte.

 
     
    2.
     
     
     
    E r hing da oben wie ein zugeschnürter weißer Beutel. Der Kopf eingeknickt, die Augen in gefrorenem Schmerz zusammengekniffen, der Schwanz kerzengerade und irgendwie traurig nach unten weisend. Rasse kaum identifizierbar. Die Kordel hatte seinen Hals derart fest zugeschnürt, daß er sich in die Länge gezogen hatte und wie um die Hälfte seines Volumens reduziert aussah. Die Kordel selbst, bestehend aus samtig schimmernden, schwarzen Fasern, schien eine von jener Sorte zu sein, mit der Raffvorhänge zusammengezurrt werden und an deren Enden unvermeidlich diese plüschigen Troddeln baumeln. Zu meinem Glück waren die Augen des Toten verschlossen, denn der starre Entsetzensblick hätte mich, den Paralysierten, wohl auf der Stelle zusammenbrechen lassen. Die Schneeflocken rieselten wie Konfetti auf ihn herab und machten aus ihm eine Eiszeitmumie. Dann wieder schwang er durch eine plötzliche Windböe sachte hin und her und erinnerte an eine groteske Voodoopuppe.
    Wer hatte ihm das angetan? Zweifellos ein Mensch, gab ich mir selbst die Antwort, als ich wie in Trance mit einem Satz auf das Becken sprang, um die Leiche eingehender zu untersuchen. Denn, von exotischen Ausnahmen abgesehen, besitzen Tiere keine Finger oder fingerartigen Glieder, um diffizile feinmotorische Aktivitäten zu meistern. Und man benötigt schon fingerähnliche Greifer, um jemandem eine Kordel um den Hals zu knüpfen. Mordlustige Schimpansen hielten sich in unserer Gegend selten auf, ergo konnte diese Barbarei allein von einem Menschen ausgeführt worden sein.
    Aus der Nähe betrachtet, vervielfachte sich das Grauen. Das Gesicht des Artgenossen war jetzt ganz dicht vor mir und wirkte mit den herunterhängenden Schnurrhaaren und eingefallenen Ohren wie das eines zu Tode betrübten alten Mannes. Während ich ihn beschnüffelte, konnte ich seinen steifgefrorenen Leib geradezu spüren. Und ich konnte mir sehr gut vorstellen, welch bestialisches Leid er erlitten hatte, bevor er in eine bessere Welt gegangen war. Die ersten Tränen lösten sich von meinen Augen, rannen mir das Maul hinab und tröpfelten auf das Becken. So böse war die Welt, so ohne Hoffnung auf Licht und Würde.
    Ich war in meinem Leben nicht zum ersten Mal Zeuge einer solch gruseligen Szene. Doch hatte ich die Erfahrung machen müssen, daß die Schlächter dieser Welt eigentlich immer »vernünftige« Motive für ihre Schandtaten besessen hatten. Will sagen, so pervers, größenwahnsinnig oder verwerflich diese Motive auch immer gewesen sein mochten, auf eine perverse, größenwahnsinnige und verwerfliche Art waren sie nachvollziehbar. Erschreckend, aber in sich schlüssig.
    Dieser Fall jedoch schien sich absolut anders zu verhalten. Es war wohl Mord um des Mordes willen. Oder um es undramatischer auszudrücken: Ich hatte es hier mit gewöhnlicher Tierquälerei mit Todesfolge zu tun. Jemand, ja höchstwahrscheinlich ein gestörtes Menschenkind, wollte nur mal sehen, wie ein wehrloses kleines Tier durch Strangulation seinen letzten Atemzug tut. Abartige Neugier und das Sichweiden an der Grausamkeit waren mit Sicherheit die Triebfeder. So schlicht, so unfaßbar! Die Geschichte der Tierquälerei ist lang und traurig zugleich, vor allem aber recht rätselhaft. Mag man bei
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