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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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einzelgängerischen und hellen Geist wie mich problematisch, sich der angedünsteten Kalbsleber und der bißchen Fellmassage wegen an einen professoralen Einfaltspinsel zu binden, dessen alltägliche Erscheinung mit zerschlissenem Morgenmantel und stoppelbärtigem Doppelkinn einen in Depressionen stürzen kann. Trotzdem würde ich mich versündigen, wenn ich an dieser Stelle jenes Kompliment unerwähnt ließe, das ich für Gustav stets bei mir trage: ein lieb gewordenes Übel! Nein, nie sollten sie vergehen, die Sommertage, an denen mein Gustav(chen) mit einer albernen Kochmütze auf dem Melonenschädel auf der Terrasse Steaks grillt und in Ermangelung von Freunden mit meiner Wenigkeit vorliebnehmen muß. Und niemals sollten sie aufhören, die »Fernschlafabende«, an denen wir uns beide beim Betrachten einer dämlichen Quizshow bereits nach den ersten zehn Minuten einen beinharten Schnarchwettstreit liefern. Schlußendlich muß zu meiner Verteidigung gesagt werden: Natürlich paßt es nicht unbedingt zu einem Nonkonformisten, das Abhängigkeitsverhältnis zu einem gemütlichen alten Deppen zu pflegen – aber haben Sie schon mal einen Nonkonformisten mit Übergewicht gesehen?
    Ich saß also da: vor meinem Guckloch zu dem Wintermärchen, das draußen inszeniert wurde. Inzwischen hatte der Schnee der verwinkelten Gartenszenerie noch einige Zentimeter zugesetzt, und so langsam trat auf jeder Mauer und an jedem Gartentor der Zuckerbäckereffekt ein. Die herabwehenden Schneeflocken wirbelten nun arg durcheinander, fegten in chaotischen Schleiern durch die Dunkelheit. Wird allmählich Zeit fürs Abendessen, dachte ich selbstzufrieden, wobei ich mühsam dagegen ankämpfte, daß mir vor lauter Behaglichkeit die Augenlider zuklappten. Und es wurde auch allmählich Zeit, daß Gustav ein paar Lichter in unserer heimeligen Höhle anknipste. Er brütete in seinem Arbeitszimmer immer noch über dem blöden Internet-Kasten und über den Tücken, irgendwelchen Hirnlosen mittels blankem Hokuspokus ein paar Scheinchen aus der Brieftasche zu leiern. Ich hörte ihn durch die offenstehende Toilettentür auf die Computertastatur hämmern und dabei gelegentlich ein verzweifeltes Stöhnen von sich geben, aber da mein Bewußtsein, wie schon erwähnt, längst einen transzendentalen Zustand erklommen hatte, flogen diese Klagen irdischen Unbills an meinen Spitzohren vorbei wie die aufgeregten Schneeflocken vor meinen Augen.
    Doch wer sagte es denn! Plötzlich hörte ich schlurfende Geräusche und das starke Knarren des Holzbodens – unvermeidlich, wenn darauf plötzlich hundertzwanzig Kilo Lebendgewicht lasten. Mein fast komatöser Zustand erlaubte es mir freilich nicht, den Kopf zu drehen. Aber ich wußte auch so, daß der gemütliche Teil des Tages begonnen hatte. Gustav hatte die Küche betreten und würde nun die Vorbereitungen fürs Abendessen in die Wege leiten. Jetzt hörte ich ihn auch brabbeln. Wie die meisten Einsamen besaß mein »Herrchen« die Marotte, Selbstgespräche zu führen, die er nur notdürftig als Unterhaltungen mit seinem Haustier tarnte. Satzfetzen wie »... heute gar nicht die Pfoten vertreten ...« und »... einmal am Tag muß man in die freie Natur ...« und »... setzt man Fett an ...« drangen undeutlich an meine Ohren. Bevor ich jedoch das nichtssagende Gefasel in einen logischen Zusammenhang bringen konnte, erhaschte ich aus den Augenwinkeln seine baumdicken Arme über meinem Kopf, sah, wie seine Wurstfinger das Fenster öffneten, und danach, ja danach sah ich eigentlich gar nichts mehr, sondern fühlte nur. Und zwar dreierlei: zunächst die frostige Luft, welche meine empfindliche Nase traf wie eine Faust aus Eis, dann einen kräftigen Schubs gegen meinen Hintern, so daß ich nach vorne geschleudert wurde und über die Fensterbank flog, und zuletzt eine ziemlich akrobatische Landung auf der Terrasse.
    Nachdem ich mich im Schnee einmal überschlagen hatte, richtete ich mich entrüstet auf. Es bedarf wohl keines Kommentars, was ich von Gustavs dämlichem Gegrinse hinter dem sich nun schließenden Fenster hielt. Aber noch schockierender war die Einsicht, daß mein lieber Freund auf seine alten Tage offensichtlich dem grassierenden »Gesundheitswahn« verfiel, von dem inzwischen auch meine Art betroffen war. Immer unverhohlener nämlich hatten in letzter Zeit gemeingefährliche Irre die Folter der exzessiven Körperertüchtigung, der sie sich täglich in unterschiedlichsten Varianten selbst unterzogen, auch
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