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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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Schneesturm einem Monstrum hinterher und riskierte dabei, der Welt der Atmenden Lebewohl zu sagen, während andere anscheinend eine viel sinnvollere Freizeitbeschäftigung bevorzugten.
    Er war eine Amerikanisch Drahthaar Tabby mit braungeflecktem Fell, einer Rasse zugehörig, die Etiketten wie »trendy«, »in« oder »en vogue« auch nicht gerade sympathischer machen. Diese schnörkelige Art gilt als der Punk unter meinesgleichen und wird gern von Menschen gehalten, die sich, ohne mit der Wimper zu zucken, beide Beine abhacken würden, wenn die gegenwärtige Mode es verlangte. Eigentlich das ideale Vieh für Archie, der ein Stockwerk über uns haust und ein hoffnungslos Verlorener in Sachen Zeitgeist ist. Bloß daß Archie vor lauter DJ-Auftritten in angesagten Diskotheken und Après-Ski-Urlauben selbst zu einem armen ausgemergelten Vieh verkommen ist, den irgendein Beherzter dringend mal ein paar Tage füttern müßte. Das Fell der Amerikanisch Drahthaar wirkt deshalb so ungewöhnlich, weil sich bei ihr alle Leithaare – das sind die langen, dichten Haare des Fells, die sich aufrichten, wenn sich uns das Fell sträubt – der Länge nach kräuseln und am Ende lockenförmig einrollen. Deshalb ist das Fell rauh und drahtig und fühlt sich so ähnlich an wie die Wolle auf dem Rücken eines Lamms.
    Ich muß fairerweise gestehen, daß der Knabe wirklich ein Ausbund an Schönheit war. Die kupferfarben leuchtenden großen Augen, die vorstehenden Backenknochen, die gekräuselten Schnurrhaare, das rötlich schimmernde Fell mit schwarzen und cremeweißen Abzeichen, die teddybärhaft derben Pfoten, o ja, alles saß bei ihm richtig und es saß an der richtigen Stelle. Offen gesagt hätte ich mich nach einer Geschlechtsumwandlung auch lieber an seiner Duftmarke gerieben als am Maul eines Strangulierten. Aber liegt Schönheit nicht im Auge des Betrachters und sind die Hübschlinge dieser Welt, tja, wie soll ich mich da ausdrücken, ohne jemandem auf die Pfoten zu treten, nicht allesamt total doof? Nein! – um für Fabulous zu sprechen. Denn das Auge des Betrachters ist ein ziemlich manipulierbares Ding. Es sieht nicht nur, sondern es deutet auch, vor allem deutet es um. So wird aus «schön« »perfekt« und daraus wiederum ganz schnell »gut« oder »klug«, je nach Belieben. In meinen seligen Jugendjahren hatten sie mich im Revier auch alle für einen Gott gehalten, jetzt aber, hatte ich den Eindruck, hielten sie mich nicht mehr aus.
    Fern von Eifersucht und Neid und natürlich aus rein philosophischem Interesse mußte ich darüber nachdenken, wie weit der Mensch zu gehen bereit war, um seinen neurotischen Hunger nach Schönheit zu stillen. Er griff direkt in den Schoß von Mutter Natur, stellte seine Manipulationen an und bastelte sich etwas vermeintlich Höherwertiges zurecht. Solche Schätzchen wie die Amerikanisch Drahthaar sind reine Kunstprodukte, geschaffen, um dem Auge des Menschen zu schmeicheln. Doch immerhin sind sie noch Produkte, die eines Tages vielleicht auch durch natürliche Selektion das Licht der Welt erblickt hätten. Das ist freilich eine geschönte Sicht der Dinge, wenn man bedenkt, wieviel verbissener Zuchtaufwand, wie viele inzestuöse Paarungen dazu nötig sind. Neuigkeiten aus der Wunderwelt der Wissenschaft geben allerdings wirklich Grund zum Gruseln. Grün glühende Kaninchen, Angriffshunde mit superaggressiven Genen, Kühe mit verdoppelter Milchproduktion – wohin soll das alles noch führen? Zu einem Hund, der wirklich wie Goofy aussieht, damit die Kinder ihn leichter ins Herz schließen können? Oder zu einem Pferd, das während des Trabens Countrysongs trällert?
    Andererseits hatte es mich nicht im geringsten gestört, wenn die drei Damen auf der Mauer ihr Augenmerk mehr auf mein kostbares Erbgut gerichtet hatten, das ich auf Wunsch nicht nur ihnen, sondern der gesamten Forscherwelt zwecks Vervielfältigung gern zur Verfügung gestellt hätte. Aber nein, ihre schmachtenden Blicke hafteten an diesem Schnösel, den sie ganz offensichtlich für klonwürdig befanden. Und dieser Schnösel schaute auf mich in einer Kombination aus Unverständnis und Belustigung herab, als wäre ich einer, der im Schnee nach Seesternen sucht. Dabei glühte er im Wirbel der Schneeflocken geradezu purpurrot, ja schien von einer magischen Aura aus Flammen umgeben.
    »Habt ihr ihn gesehen?« rief ich immer noch außer Atem.
    »Ihn gesehen?« sagte Drahthaar und schwenkte den Kopf demonstrativ ausladend hin und her.
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