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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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Freundinnen nicht zu stören, die ihn wahrscheinlich für ganz unbesucht hielten. Ich trat daher, wie gewöhnlich, Reisen durch alle Zimmer und durch die Gruppen darin an, und als ich im Bedientenzimmer die Pulte und Reste der Simphonie, wie ein kahles Feuerwerksgerüste, antraf, hatte ich eine Art Schmerzempfindung, wie bei dem Anblicke eines abgebrannten Hauses. Auf dem Rückwege gerieth ich zwischen die Wimpel und Fahnen mehrerer Putzhauben, die zusammenstaken und verleumdeten.
    »Beide,« hörte ich sie sagen, »sind im Garten, und sie macht die Lucie noch zu derselben unnatürlichen Figur, wie sie selbsten ist. - Gott genade dem Manne, der eine solche verschrobene....« Mehr hörte und wollte ich nicht hören.
    Arme Angela, dieß ist nun seit einer kleinen halben Stunde schon die zweite harte Aeußerung über Dich - noch dazu an Deinem Namenstage - so dachte ich und nahm mir vor, sobald sie heraufkäme, sie mir zeigen zu lassen, und sie gerade recht mit Auszeichnung zu behandeln, namentlich auch um die Putzhauben zu ärgern.
    Ich trat wieder unter die Tanzenden - Alles - die herumfliegenden Gestalten, die glühenden Wangen und strahlenden Augen der Mädchen, das Vergnügen der zusehenden Mütter, selbst die spielenden Herren - Alles nimmt nun in meiner Erinnerung eine rührende Gestalt an. Ich werde den Grund angeben. Als ich nämlich sattsam wie ein Irrstern unter diesen Wandelsternen herumgeschweift war, ließ ich mich endlich häuslich nieder vor einer Rheinweinflasche, die mir Aston immer aus Vorliebe gibt, und rief einen Bekannten herzu, der ebenfalls ein Fremdling in der Tanz- und Spielwelt war. Wir geriethen in's Plaudern, während der Tanz draußen schleifte und schwirrte und rauschte. Unser Tisch war gleichsam ein Landsitz außerhalb dieses Stadtgewühls; denn er stand im Schreibstübchen, das aber jetzt beleuchtet war. Im Zimmer daneben und im dritten, im Lampenzimmer, saßen hartnäckige Whistgesellen. Wir hatten bereits die zweite Flasche angebrochen, und handelten den Virgil ab, die musikalischste Muse der Römer, als sich Folgendes ergab. Mein Nachbar pries seine Zartheit in der sinnlichen Malerei, in der er fast an die Griechen reiche, und sagte die Stelle als Beleg:
Tempus erat, quo prima quies mortalibus aegris
Incipit et ... et ....
    Aber weder er, noch ich wußten den schönen Vers zu Ende - da sprach unglaublich sanft eine weibliche Stimme hinter mir:
et dono divum gratissima serpit.
    Ich sah neugierig um und - lege den größten Maßstab an mein Erschrecken - dicht hinter meiner Stuhllehne an der Seite Luciens, von unserer Lampe scharf beleuchtet, schwebt das Gesicht aus dem Paradiesgarten - dasselbe edle, sanfte, unbeschreiblich schöne Angesicht in der ersten Blüthe der Jugend, dieselben Augen, zwei Sonnenräder, nur darüber dämmernd die langen feinen Wimpern, wie Mondesstrahlen. Ich war aufgesprungen und starrte sie thöricht an, während sie mit tiefem Purpur übergossen wurde.
    »So schlagen Sie mich überall aus dem Felde, schöne Feindin,« sagte mein Nachbar, der auch aufgestanden war und sich artig lächelnd verbeugte; »auch im Virgil sind Sie mir überlegen.«
    »Hier führe ich Ihnen,« sprach Lucie, »meine liebste Freundin auf, die längst versprochene Angela« - und dann zu ihr gewendet - »dieß ist der bescheidene Maler der Umgebungen Wiens.«
    Wir verbeugten uns gegenseitig.
    Mein Nachbar sprach sogleich darein und benahm sich überhaupt wie ein Bekannter Angela's.
    In diesem Augenblicke trat auch Aston herbei, und in seinem Angesichte war ein Weltmeer von Freude zu sehen, über die gänzlich gelungene Ueberraschung, von der er Alles und Jedes auf seine Rechnung setzte, was an Rathlosigkeit in meinem Gesichte mußte sichtbar gewesen sein. Freilich konnte er den Grund meiner lächerlichen Verlegenheit nicht ahnen, die mich immer von Neuem erfaßte, wenn ich sie ansah, und die in mir herumringenden Gestalten in eine erträgliche Ordnung zu bringen versuchte. Diese also ist die verschrobene Angela, sie ist aber auch die Fürstin - und wer stand denn nun vor dem Hochspiegel - wer ist denn das lebensgroße Bild, wer das kleine Abbild? und Lothar sitzt höllischer Weise auf dem Hochschwab und malt dort Naturstudien und kann keinen Teufel aufklären - wenn er nicht gar selber im Complotte steckt und sich zu guter Zeit auf und davon gemacht hat. Im ganzen goldnen Lamme wohnt ja die Fürstin, wenn sie nicht schon davon gefahren ist; das weiß ja ganz Wien, und daß sie von dem
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