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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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(Böhmerwald) geboren. Er kam als Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers aus einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb der Vater, und er wurde von da ab von den Großeltern erzogen. Er besuchte von 1818 bis 1826 das Gymnasium und studierte anschließend bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, machte aber keine Abschlußprüfung.
    Stifter wollte gern Landschaftsmaler werden. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern. 1848 zog Stifter nach Linz und lebte dort die letzten Jahrzehnte seines Lebens. In seinen letzten Lebensjahren war er schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.
     

1. Primel
     
    24. April 1834.
    Man legt oft etwas dem Menschen zur Last, woran eigentlich die Chemie alle Schuld hat. Es ist offenbar, daß wenn ein Mensch zu wenig Metalle, z. B. Eisen, in sein Blut bekommen hat, die andern Atome gleichsam darnach lechzen müssen, um, damit verbunden, das chemisch heilsame Gleichgewicht herstellen zu können. Nur mißversteht aber der so schlimm Begabte meistens seinen Drang, und statt in's Blut, schleppt er unbeholfen die Metalle in seine Stube und in die Kästen, und greift hiebei ganz ungeschickt nach Silber und dergleichen. Wir heißen den armen Schelm dann einen Geizhals; - sei's um den Namen - aber
verachten
soll man ihn nicht so leichtfertig, als sei er selber schuld, was sich doch offenbar durch die Thatsache widerlegt, daß gerade der
echteste
darunter alles Papiergeld haßt und durchaus nicht nach Zinsen trachtet, sondern das einfache, reine, schöne Metallgeld aufhebt und hütet.
    Andere haben andere Verwandtschaften, lieber Titus! z. B. ich und Du, denen man es übel nahm, daß sie die Damen, und darunter wieder die schönsten, oft unbillig anstarren; - aber bei mir wenigstens ist es nicht abzustellen, weil ich, so zu sagen, ein Schönheitsgeizhals bin. Ich habe es jetzt heraus, wie mich das Ding schon als Kind verfolgte, wo ich oft um lichte Steinchen raufte, oder als Knabe mit dicken, rothgeweinten Augen von dem Taubenschlage herabkam, in dem ich stundenlang gekauert saß, um die schönsten Romane zu lesen, die mein seliger Vater gar so sehr verbot, weil er es lieber hatte, daß ich das
Quae maribus
und solches Zeug lernte, was ich zwar auch that, so daß ich das Ding der Länge nach herzusagen vermochte; - aber ich hatte es millionenmal lieber, wenn ich mich aus einem schönen Ritterbuche abängstigen konnte, oder wenn mir einmal - ich habe seitdem das Werk nicht mehr gelesen - geradezu das Herz brach, da Ludwig der Strenge sofort seine wunderschöne, unschuldige Gattin hinrichten ließ, die bloß verläumdet war, und die Niemand retten konnte als ich, der ich aus dem Buche die ganze Schlechtigkeit ihrer Feinde gelesen hatte, aber unglücklicher Weise dreihundert Jahre zu spät.
    Damals, da ich bis zur letzten Seite auf Rettung baute und traute, und endlich keine kam, rieb ich mich fast auf vor Schmerz. Aus jenem unbewohnten, staubigen Taubenschlage, Titus, trug ich wundersame, liebe Gefühle bis in die spätesten Zeiten meines Lebens hinüber, und wurde nach der Hand für und für kein Anderer; immer suche ich noch, bildlich gesprochen, solche Taubenschläge, spanne mich aus der Gewerkswelt los und buhle um die Braut des Schönen.
    Freilich werde ich hierbei nicht reich; aber mein Vetter, der
Metallgeizhals
, kümmert sich auch nicht um Schönheit. - Die Dinge sind eben ganz entgegengesetzt; nur können wir uns Beide die Sache nicht ausschlagen, weil das Leben keinen Dreier mehr werth ist, sobald man unser Streben daraus wegnimmt. Darum sollte man es Jedem lassen, keinen fremden Maßstab und leichtfertigen Tadel an unser Thun legen, weil man die Chemie nicht einsieht. Da bin ich milder, und schreie nicht gleich Zeter, wenn mein ehrlicher Doppelgänger einigen zweckmäßigen Hunger leidet, weil noch eine Prachtsumme zurückzulegen ist, die seiner Sammlung zur wahren Zierde gereichen wird; - aber er und Andere sollen dafür auch nicht murren, wenn ich Geld und Gut nicht achte, in Concerte, unter den Sommerhimmel, in Theater, Bildersäle laufe und die Dinge anhöre und ansehe, besonders aber gern die Augen in lieben, feinen, jungen weiblichen Gesichtchen stecken lasse; es ist ja keine Selbstsucht - wahrlich keine. - - - Das ist eben das komisch Aergerliche bei uns Geizhälsen, daß die Andern uns so viel Selbstsucht andichten,
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