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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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Papiere auf dem Schreibtische. Niemand anders nämlich wurde mit dem Auftrage beglückt, sie lebensgroß zu malen, als Freund Lothar. Er malte sie in ihrer Wohnung und färbte sich heimlich das kleine Bildchen zusammen, als einen Schönheits--Diebstahl, und lief sogleich zu mir, um damit meine Paradiesgartenschönheit, von der ich ihm erzählte, auszustechen.
    Wie staunte er, als ich ihm sagte, die sei es eben - und Beide wunderten wir uns über den Zufall. Er verschaffte mir später sogar, daß ich das große Bild selbst sehen konnte, zu welchem Zwecke er ein Mädchen der Fürstin mit Geld und Liebesworten bestach. Die Arbeit war schön, und obwohl er sagte, daß sie nicht von Weitem an das Urbild reiche, so wiederholte sich doch an mir fast dieselbe Wirkung, wie damals vor jenem erhabnen Spiegel. Er ergötzte sich herzlich an meinem elektrischen Funkeln, theilte es aber nicht im Mindesten, obwohl er zugab, daß diese Arbeit die schönste Belohnung seines Pinsels sei, die er je zu hoffen habe, und er wolle nun recht geduldig viele der häßlichsten Gesichter nachbilden. Er schenkte mir das kleine Gemälde, und ich bewahre es als Denkmal der sonderbarsten Wirkungen unserer Fantasie auf; denn die Fürstin soll hart und kalt sein, und von dem echtesten Ahnenstolze besessen; - ich aber hatte alle Weichheit und Güte der schönsten Seele in die Züge dieses Bildes getragen. - Wenn sie längst in ihrem Norden ist, dann nehme ich erst das Bild recht her, und dichte ihm Alles an, was mir nur immer beliebt - ich wüßte nicht, wer mir's wehren könnte! Gute Nacht, Titus!
     
     

7. Himmelblauer Enzian
     
    3. Juni 1834.
    Seit dem zwölften Mai gab es gar nichts; aber das Ende dieses Monats war eigenthümlich genug. Das Wetter hatte sich lange zusammengezogen, und Anzeichen und Wahrsagungen und Ahnungen und Alles ging vorher; nun ist es da - ich bin verliebt, und, bei Gott! ich nehme mir vor, es ganz unmäßig zu sein und den Becher tüchtig rasch hineinzutrinken, in den sie uns das himmlisch süße Gift thun.
    Höre mich - ich will Dir Alles schreiben. Am letzten Mai war ich bei Aston geladen und ging hin. Die Pastoralsimphonie wurde von lauter feurigen Verehrern des todten Meisters vortrefflich ausgeführt. Ich floh in sein Schreibstübchen, in das keine andere Beleuchtung floß, als eine sanfte Dämmerung aus einem dritten Zimmer, in welchem vier dicht bei einander stehende Lampen aus matt geschliffenem Glase die Milch ihres Lichtes ergossen. An dieses ferne Zimmer erst stieß der Saal, wo die Musik und die Gesellschaft war; ich war also so gut wie allein. Auf dem weichen weißen Sammte dieses Lichtes nun wallte die Simphonie zu mir herein und brachte alle Idyllen und Kindheitsträume mit, und je mehr sie schwoll und rauschte, um so mehr zog sie gleichsam goldne Fäden um das Herz. Wie ist diese Musik rein und sittlich gegen den leichtfertigen Jubel unserer meisten Opern! Auf unbefleckten weißen Taubenschwingen zieht sie siegreich in die Seele.
    Ich wäre ohne weiteres mit ihrem Ende fortgegangen, wenn dieß auf eine andere Weise möglich gewesen wäre als mitten durch alle Anwesende, deren Grüße, Fragen, Anreden, Gutenachtwünsche u.s.w. mir unangenehm waren. Der letzte Ton war verhallt, und sogleich ging draußen ein Brausen an und ein Sesselrücken, und ein leidiges Tanzen begann. Im Lampenzimmer wurden gar Spieltische gestellt, und bis zu mir herein drangen die Streifenden. Sofort hob für mich die Langeweile an. Emma, die jüngere Tochter Aston's, wollte, ich solle tanzen. Ich erwiederte, daß ich nicht starker Geist genug sei zu solchen Uebergängen, wie unser Jungfrauengeschlecht, das dicht an Beethoven das Tanzen nicht verachte. »Doch ist Jemand aus dem Geschlechte so stark,« sagte Emma lächelnd, »und sogar zwei sind es. Lucie und ihre alt-römische Freundin, die Sie heute werden kennen lernen, - der weibliche Cato von Utika - oder von wo - sie sind sogar in den Garten hinabgegangen. Uebrigens,« fügte sie bei, »mir hat die Simphonie sehr gut gefallen; aber jetzt gefallen mir sämmtliche Tänzer auch, und ich kann mit meiner Empfindung nicht so breit thun, wie mit einem steifseidenen Gewande, und wie die Andern, und so ade, Herr Aristoteles.« Sie knixte ernsthaft und schwebte künstlich zwischen all den Klippen der Spieltische, wie ein leichtes Fahrzeug, hinaus in die wogende See des Tanzsaales.
    Nach dem Garten hätte ich wohl auch ein Gelüste getragen, aber ich mußte es nun aufgeben, um die zwei
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