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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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Frauen zu vertheidigen, die ihm Ueberspanntheit und Verworrenheit vorwarfen. Ein alter Herr mit schneeweißen Haaren - er hatte das Violoncell gespielt - stimmte ihr bei und ereiferte sich jugendlich für seinen Liebling, wofür ihn das schönste Augenpaar des Saales einigemal recht töchterlich lieb ansah. Der ewig alte Hader, in den man allezeit geräth, wenn man von Beethoven spricht, ob
er
oder
Mozart
vorzuziehen sei, entstand auch hier und ward mit Hast verfochten. Alle Damen waren Mozartistinnen und ein großer Theil der Männer - Angela stand für Beethoven, unterstützt von dem greisen Violoncellisten und mir. Lucie mischte sich nicht ein; aber Emma sehr und heftig für Mozart. Aber es war von beiden Seiten wenig zu gewinnen; denn gleich nach dem ersten Worte bemächtigte sich das mit starken Herren besetzte Südende des Tisches der Frage, und eine lärmende Kriegsfurie brach los. Sogleich schwieg Angela, und nur gleichsam sich entschuldigend und dankend wandte sie sich zu mir und sagte: »Ich bin nicht Kennerin genug, um anders als nach meinem Eindrucke zu urtheilen; aber mich reißt es hin, wo wie in der Natur, großartige Verschwendung ist. Mozart theilt mit freundlichem Angesichte unschätzbare Edelsteine aus, und schenkt jedem etwas; Beethoven aber stürzt gleich einen Wolkenbruch von Juwelen über das Volk; dann hält es sich die Hände vor den Kopf, damit es nicht blutig geschlagen wird, und geht am Ende fort, ohne den kleinsten Diamanten erhascht zu haben.«
    Mir war das Urtheil aus der Seele gesprochen; aber ich war eigentlich nicht im Stande etwas recht zu genießen, weil es in mir noch immer durcheinander ging und mir Niemand gutstehen konnte, daß ich nicht jeden Augenblick mit der Frage herausfahre, ob sie denn ganz und gar und ohne weiteres die Fürstin Fodor sei, die mit ihrem Gemahle nach Rußland gehen werde, um dort die Leute zu bezaubern; aber dieß ist ja unmöglich, denn sie ist Luciens Jugendfreundin, und ich werde sie diesen Sommer malen; aber dennoch ist sie mit jeder Linie und Färbung des Angesichtes mein kleines Abbild, das ich von Lothar erhalten hatte. Diese Doppelgängerei fing nun an, etwas Unheimliches zu gewinnen. Ich mußte sie mir hier und zugleich beim goldnen Lamme oder gar bereits in einer polnischen Herberge schlafend denken. Das beklagenswerthe Essen nahm auch kein Ende, und da der Streit noch immer heftig währte, so konnte auch kein vernünftiges Wort aufkommen. Deßhalb blieb mir nichts übrig, als daß ich sie mit Muße betrachtete.
    Titus, sie ist wahrlich und wahrhaftig unbegreiflich schön, zumal im Profil; da zeichnet sich die schönste Linie in die Luft, welche das Weltall besitzt, und die man versucht wird, sich nur
ein
Mal daseiend zu denken. Hinter ihr war an den Wänden dunkelsammtenes Gehänge, und bei jeder Wendung schnitt sich das hellbeleuchtete Angesicht aus rabenschwarzem Grunde. In unsern Zeichenbüchern ist diese Linie noch nicht; sie stammt aus der schönsten Zeit des alten Perikles - und wenn sie sich dann plötzlich zu dir wendet und die beiden Augen auf Dich richtet, in denen etwas Treuherziges und Schwärmerisches ist, so wird das Bild wieder ein ganz neues, und aus der Antike springt eine romantische Shakspeare'sgestalt. Wenn unter dem eine thörichte und verschrobene Seele voll Albernheit wohnt, wie Aston und jeder von ihr sagt, so ist es die schmerzlichste Ironie, und ich möchte dann den Apoll von Belvedere zertrümmern; denn was hat denn Schönheit dann für eine Bedeutung, als daß sie geradehin nur Grimm des Herzens aufrühren mag? Aber ich glaube es nun und in Ewigkeit nicht. Ich wollte nur, Du könntest sie sehen, mein Titus; eine Last dunkler Haare, daraus hervorleuchtend die weiße reine Stirn voll Sittlichkeit, adelig geschnitten von zwei feinen Bogen, und darunter die zwei ungewöhnlich großen, lavaschwarzen Augen, brennend und lodernd, aber mit jenem keuschen Madonnenblicke, den ich an feurigen Augen so sehr liebe, sittsam und ruhevoll - Du würdest wähnen, in dieser Klarheit müsse man bis auf den Grund der Seele blicken können - und wenn sie mit dem weichen, klugen Munde doch so blöde lächelt, so meint man Pallas Athene als Kind zu sehen.
    Wie ich ihr so gegenüber saß, schwoll mir das Herz wehmüthig an und sehnsuchtsweich, und ich hatte das Gefühl, hinter allem diesem berge sich vielleicht ein seltener Glanz, dem sich kein Mann nahen dürfe, als nur mit dem schönsten Geistesschmucke; sie aber stehe unter der Menge wie
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