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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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eine Fremde, deren Sprache man nicht kennt. Jedenfalls muß ihre Erziehung von der gewöhnlichen abgewichen sein; denn in all' ihrem Thun war ein gewisser Zuschnitt, der etwas Fremdes hatte. Dieß gab ihr einen Schein von Unbeholfenheit oder Ziererei - besonders da sie, wie oft pedantische Gelehrte, zuweilen geradezu gegen alle gewöhnliche Art verstieß, wie es das seichteste Gänschen nicht gemacht hätte, während oft ein Schimmer hervorbrach, den freilich das Gänschen auch nicht machen konnte, ja, ihr verargte. Mir erschien sie dadurch noch reizender, wie jene Tropenblumen, die dem ersten Blicke des Nordländers fremdartig, ja lächerlich sind, dem öftern Beschauen aber immer dichterischer werden und die fernen Wunder ihres heißen Vaterlandes erzählen.
    Champagner kam; denn von Astons Sitze schollen dessen Begrüßungsschüsse, und bald, da jene schlanksten aller Gläser rings gefüllt waren, tönte es: »der Namenstag hoch!« Sie stand auf und dankte; ein Knäuel von Gläsern drängte sich an ihres, um anzustoßen; sie stand mild, wie eine Märtyrerin, und ließ den Wirrwarr über sich ergehen. Manche kamen zwei-, dreimal, um anzustoßen, ich weiß nicht ihretwegen oder wegen des Champagners. Endlich, wie Alles in der Welt, nahm auch dieses Glockenspiel ein Ende, und sie setzte ihr Glas nieder ohne einen Tropfen zu kosten.
    Auch andere Sprüche brachen los; man stand schon theilweise an dem Tische, - da kamen zwei schöne Arme von rückwärts um sie geschlungen und zogen sie küssend in eine Umarmung und in einen Glückwunsch - Lucie war es - auch Emma kam, und Rosa und Clara und Lina, und wie sie alle heißen: auch die verleumdenden Putzhauben, und zogen sie in Wünsche hinein und von dem Tische hinweg.
    Deinem armen Freunde war es nun, als hätte man alles Licht aus dem Saale fortgetragen, in welchem es bereits lustig und laut zu werden begann. Dichte Gruppen thaten sich um die Flasche zusammen, und Alle redeten wie die Apostel am Pfingstfeste, in lauter fremden Zungen, daß ein eitel Gebrause und Gesause wurde. Ein junger Mann mit dem richtigst gezeichneten Angesichte, was ich je sah, schritt auf mich mit seinem Glase zu, um anzustoßen. »Auf Ihr schönes Gegenüber,« sagte er; »wir Zwei allein stießen vorher mit ihr nicht an.« Also hatte er es auch bemerkt - ich habe wohl gesehen, wie er nicht anstieß, - vielleicht aus demselben Grunde, wie ich, weil ich ihr nämlich nicht auch noch zur Last sein wollte.
    Ein neues Tanzen jubelte draußen los, vom Champagner angezündet, und trieb seine hochgehenden Wogen herein in den trüben Schwemmteich von Reden, Streiten, Lachen, Scherzen, daß ein tosendes Meer um die Ohren kochte.
    Ich stand auf, unendlich erleichtert, daß ich von dem Tische losgeschmiedet sei und dem sinnverwirrenden Klingen und Schleifen, und Schweifen und Reden und Brausen entfliehen könne. Mein Weg führte durch das Tanzzimmer, und es kam mir vor, als seien der Paare noch einmal so viel geworden, und als würden sie ohne Ende mehr, wie sie von einer tollen Galoppe herumgeschleudert wurden, immer schneller und schneller, weil einer, der auf dem armen Piano wie mit Keulen hämmerte, den Kreisel wie zur Lust immer bachantischer drehte, vom Fieber angesteckt und Alles ansteckend. Ich haschte mit den Augen nach Gesichtern, und wie die Mädchen vorüberjagten mit dem wilden Wangenfeuer, unschön mit den hartrothen Antlitzen, so fürchtete ich, auch ihres in dem Zustande zu sehen - aber es war nicht darunter. Ich war, wie allemal beim Anblicke solches Ueberschäumens bloßer Lustigkeit, traurig geworden und ging gerne weiter.
    Im Lampenzimmer endlich, wo noch die Kartenruinen lagen, stand sie, aber eingewickelt in einen Ballen von Freundinnen und Feindinnen, die Glück wünschten, und von Männern, die den Hof machten. - So hat denn heute Aston, wie jener König im Evangelio, die Blinden und Lahmen und die ganze Wiener Stadt und den Erdkreis zu diesem Feste eingeladen, daß die Menschen kein Ende nehmen wollten!! Ich ging noch weiter in das nächste Zimmer, wo endlich bloß Drei waren, die Langeweile hatten, und ich setzte mich dort in einem Winkel als Vierter nieder.
    Ich war unsäglich traurig und konnte mich der tiefsten Schwermuth fast nicht erwehren. Ich sah durch die Thüren in alle Zimmer zurück, die ich durchwandelt hatte, und lud meinen armen Augen die Last aller Bilder derselben auf: den fernen schwarzen Grund der Männer im Tafelzimmer, undeutlich wogend und im Lichterrauche
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