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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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jungen Maler außerordentlich getroffen wurde, erzählt auch ganz Wien - und daß ich das lebensgroße Bild selber im goldnen Lamme sah, schon im Rahmen, schon an den Boden der Reisekiste geschraubt, weiß ich mit Gotteshilfe auch, - und hier steht sie im einfachsten Kleide und lächelt mich an! - In meinem Zimmer - wenn es sich nicht unterdessen in eine Kohle verwandelt hat - liegt das kleine Bild, auf dem sie auch steht! - Dann die seltsame Lage hilft ihr auch noch, mich zum Narren zu machen, daß nämlich zweimal dasselbe ungewöhnlich schöne Angesicht allemal dicht vor meinen Augen in der Luft hing und zauberte, statt daß es ordentlich in der deutlichen Sehweite gesessen wäre zu verständiger Betrachtung und Anschauung. Und alle machten sie so unschuldige Gesichter, als wäre auf dem ganzen Erdboden kein trübes Wässerlein - oder gelang dem Aston dieses Mal eine meisterhafte Verwirrung? Wenn nur die Fürstin noch da ist, so warte ich morgen tausend Stunden vor dem goldnen Lamme, daß ich sie ausfahren sehe, und Lucie - denn das Teufelchen Emma sagt nichts - muß heute noch Rede und Antwort stehen. Eine solche Aehnlichkeit zwischen zwei wildfremden Menschen ist gar ganz unmöglich; das muß ich verstehen, der ich schon über hundert Angesichter malte.
    So dachte ich ungefähr in dem Augenblicke, als ich vor ihr stand; was ich aber geredet habe, weiß ich nicht mehr. Ersprießlich muß es nicht gewesen sein; denn sie wurde sichtbar verwirrt und erröthete wiederholt, und Lucie machte immer größere Augen.
    Aston sprang uns Allen, wie ein Engel des Himmels bei, als er die Nachricht brachte, draußen stehe Alles aufgedeckt, und man warte schon auf uns zum Speisen.
    Auf dem Wege in's Tafelzimmer nahm er mich am Arm, während die zwei schönen Mädchengestalten vor uns gingen, und flüsterte mir in's Ohr: »Hab' ich Ihnen mit dieser das Concept verrückt? - und sie wird Ihnen sogar zu einem Bilde sitzen, wenn es Lucien gelingt, sie vollends zu überreden; denn nur ihr, als Freundin, wolle sie ein Bild von sich als Andenken überlassen. Dann wird sie gleich lebensgroß gemacht; die Kleiderverhältnisse wählen Sie selber, und ich stehe Ihnen bei, und wenn wir sie überreden, daß sie Ihnen zu Ruhm und Glück dadurch verhelfen kann, so erlaubt sie auch, daß das Bild in die Ausstellung darf, und dann ist Ihr Ruf gegründet, Freund. Diese ist einmal ein Gegenstand, durch den sich ein Künstler Ehre gewinnen kann. Die ganze Männerschaft ist verloren, wenn sie das Bild anschaut, und verliebt sich bei dieser Gelegenheit auch in den Künstler, und die Weiber werden sofort alle von Ihnen gemalt sein wollen, weil sie meinen, sie würden dann auch so hübsch aussehen, und so prachtvoll zwischen dem Goldrahmen sitzen. Wären Sie nur letzte Zeit nicht so halsstarrig gewesen, - sie hat sogar einige Male nach Ihnen gefragt - so hätten Sie sie schon längst sehen können; denn mein Plan war es schon vom Winter her, Ihnen mit ihr den Verstand zu zerrütten. Aber es ist nicht aller Tage Abend - ich könnte Ihnen noch allerlei Dinge sagen; aber gegebene Worte muß man halten - man muß sie halten.«
    Mittlerweile gelangten wir an den Tisch, und er setzte mich ihr gegenüber. Meine Ruhe war durch den Gang ziemlich hergestellt, und ich saß voll Gelassenheit zwischen zwei schönen angewiesenen Tischnachbarinnen nieder, um mein Gegenüber auch einmal mit Ordnung und Verstand zu betrachten, und über selbes zu richten.
    Aber gefährlich blieb es; denn selbst jetzt, in dieser Prosa des Anschauens - das Himmelsbild setzte gar eine Tasse mit Rindsuppe an den Mund - verspürte ich doch gleich beim ersten Blicke wieder etwas von jener Zauberei, wie vor drei Wochen im Paradiesgarten. Ich sprach daher mit meiner Nachbarin rechts über das auserlesene Wetter; dann mit meiner Nachbarin links auch über das auserlesene Wetter - es ist aber auch wirklich auserlesen, wie es hier seit dem Jahre 1811 nicht gewesen ist; so sagen die Weinkenner - dann aß ich, reichte Teller herum, mischte mich in Gespräche und verlegte mich überhaupt auf die Unbefangenheit. Aston sah verschmitzt aus. Man sprach über die Simphonie und stritt. Ich mischte mich ein. Auf einmal, mitten in dem allgemeinen Brausen, tönte wieder die unglückselige, sanfte lateinische Stimme, aber dießmal deutsch. - Ohne Verzug lagen meine Augen drüben und begegneten einem großen, unschuldig schönen Blick voll Männerernstes. Sie fing eben an, den armen Ludwig gegen zwei ältliche
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