Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
in einander überstürmen - - - dann sag' ich ihr: »Nun drücken wir auf diese Herrlichkeit noch das Siegel des Trennungsschmerzes, daß sie vollendet werde, und sehen uns ewig nicht mehr - sonst wird dieser Augenblick durch die folgende Alltäglichkeit abgenützt, und wir fragen einst unser Herz vergeblich nach ihm; denn auch in der Erinnerung ist er verfälscht und abgesiecht.« So spräche ich; denn mir graut es, sollte ich auch einmal die Zahl jener Gestalten von Eheleuten vermehren, wie ich viele kenne, die mit ausgeleerten Herzen bloß neben einander leben, bis eines stirbt und das andere ihm ein schönes Leichenbegängniß veranstaltet. Himmel! lieber eine echte unglückliche Ehe, als solch ein Zwitterding.
    Alle Millionen Jungfrauen Europa's habe ich hier zu Gegnerinnen, weil sie meinen, alle künftigen Himmelreiche würden ja durch einen solchen Entschluß freiwillig bei Seite gestellt, und diese müßten gerade jetzt erst recht angehen, da die Aufschrift an dem Thore schon so schön gewesen sei - aber das Prachtthor führt nur zu oft in einen artigen Garten, der sich in Steppen verflacht oder leider oft in einem Sumpf vergeht. Groß müssen zwei Herzen sein, die dem leise nagenden Zahn der Alltäglichkeit nicht unterthan, sich in ein reiches Leben schauen lassen, wo die Grazie täglich in einer andern Gestalt auf dem Throne sitzt; - groß müssen sie sein und ohne Sünde. Dann dürfen sie getrost eingehen durch das Prachtthor; für sie führt der Garten in's Unendliche.
    Ein närrischer Gedanke heckt den andern aus. Ein solches Ehepaar - nein, zwei, drei, vier solche Ehepaare möchte ich an einem schönen See haben, z. B. dem Traunsee, der so reizend aus schönem Hügellande in's Hochgebirge zieht. Dort baue ich zwei, drei Landhäuser fast altgriechisch einfach, mit Säulenreihen gegen den See, nur durch einen schönen Blumengarten von ihm getrennt. Aus dem Garten führen zehn breite Marmorstufen zu ihm hinunter, wo unter Hallen die Kähne angebunden sind, die zu Lustfahrten bereit stehen. Der Garten hat Glashäuser für die Tropengewächse - sie sind ganz aus Glas, mit eisernem Gerippe, nur äußerlich mit einem Drahtgitter gegen den Hagel überspannt. - Auch ganz gläserne Säle fehlen in ihm nicht, daß man, wie in einer Laterne mitten in der Paradiesesaussicht schwebe. Von dem Garten wieder auf zehn Stufen steigt man zum Landhause, das den Eintretenden mit einer Säulenrundung empfängt. Diese Rundung ist durch Glas zu schließen, hat an der Hinterwand Sitze, und rings stehen dunkelblättrige Topfpflanzen, als da sind: Oleander, Camellien, Orangen u.s.w.
    Zwischen diesen glänzen Marmorbilder. Zu den Seiten dieser Halle und über ihr sind die Zimmer, zu denen breite, sanfte, lichte Treppen mit Standbildern führen. Das ebene Dach ist ganz mit Blumen, Bäumchen und Sitzen bedeckt. Von ihm ragt der astronomische Saal empor. Auch ein paar Spiegelzimmer dürfen nicht fehlen, - von dem Fußboden bis zur Decke Spiegelebenen, im Vieleck gestellt, mit veränderlichem Neigungswinkel, daß man im lustigen Humor die Aussicht durch einander wirren und stückweise zerwerfen kann. Der naturwissenschaftliche Saal ist hinten im Baumgarten. Am Hause rückwärts bilden zwei Flügel einen Hof mit - nicht Ställen, sondern - Zimmern für die Thiere, die fast ängstlich rein gehalten werden. Man hegt deren allerlei, und jede Gattung hat ihren geräumigen Spielplatz. Der Obst- und Gemüsegarten ist sehr groß und liefert durch gute Pflege genug und erlesenes Obst in die Winterbehältnisse. Park ist keiner, weil ohnehin einer da ist, den die Natur meilenweit umhergelegt hat mit Seen, Strömen, Alpenwässern, Matten, Felsen, Wäldern, Schneebergen u. s.w. - nur mit kunstlosen Pfaden und Ruheplätzen wird nachgeholfen, aber nur äußerst vorsichtig, daß ja nichts verkleinlicht werde. Die einzelnen Landhäuser - denn die Ehepaare sind die besten Freunde - sind durch Säulengänge verbunden, in denen im Sommer die Orangensammlung steht.
    In diesem Tusculum nun wird gelebt und eine Schönheitswelt gebaut. Der Himmel segnete die Ansiedlung mit Weltgütern (sonst hätten sie die Landhäuser gar nicht erbauen können), und keiner der Männer ist an ein sogenanntes Geschäft gebunden, das ihm die allerschönsten Lebensjahre wegfrißt und das Herz ertödtet, sondern jeder weiht seine Thätigkeit nur dem Allerschönsten, und sucht, so viel an ihm ist, das Reich der Vernunft auf Erden zu gründen. Wissenschaft und Kunst werden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher