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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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siehe, wunderbar vergoldet steht sein Vaterhaus und seine Kindesfluren vor den Augen.
    Ein Blick von mir war es, ein einziger, ein heftiger, der die ganze Dichtung dieses Angesichts in sich schlingen wollte - dann schnell ein zweiter und dritter. Sie sah mich ernst und unverwirrt an, und ließ dann einen dichten Schleier herabfallen. In mein Angesicht flog die brennende Röthe der Scham, daß ich ihr aufgelauert hatte.
    Ob ich in sie verliebt wurde? - Nein, in diese war ich es seit meinem ganzen Leben schon gewesen.
    Sie ging langsam, wie eine stolze Südländerin - wie jene Zenobia, die Königin der Wüstenstadt - zu einer Gruppe Herren und Frauen und mischte sich unter sie - und ich auf einmal unendlich verarmt schritt aus dem Garten, und als ich die Steintreppe in die düstre Stadtgasse hinabstieg, wallte mir das vorher erschrockene Herz erst recht auf, und es wurde mir, als sollt' ich sie ohne Maß und ohne Gränzen lieben. Eine Ahnung solchen Gefühles vermag Beethoven zu geben, wenn er Dir den schönsten unbekannten Demant aus Deinem eigenen Herzen hebt, und ihn Dir glänzend und lichtersprühend vor die Augen hält.
    Ich ging noch sehr lange in den lärmenden Gassen und auf den Basteien herum, und suchte erst, als schon alle Laternen brannten, meine Stube und trug das neuerworbene Bild mit hinein.
    Diese ist es.
    Alle die mir sonst so sehr gefielen, selbst die aus der Annenkirche - sie sind gar nicht mehr. - -
    Und nun erkläre mir ein Erdenmensch die Heftigkeit eines solchen Eindruckes. Es ist im Leben schon öfters dagewesen - auch zwischen Mann und Mann war es schon. Ich bin kein Kind, das sich überraschen läßt, ich bin kein Weichling, der sich Gefühle vorlügt - das Leben hat mich wacker durchgerüttelt - aber ihr Erscheinen in dem Kreis meiner Vorstellungen wirkte, wie ein Riß in dieselben. Ist es ein Schönheitseindruck, den ich nur verkenne? - wie etwa alle Gemälde, Musiken, Dichtungen flach werden, sobald etwas Außerordentliches dieser Art an unser Herz tritt? Aber ich sah ja Raphaele, Guidos, Correggios - sie waren wunderschön, aber anders. Ich sah ungewöhnlich schöne Weiber, und fühlte etwas anderes. - Aber Schönheit war es ja nicht, was eben wirkte; denn ich erinnere mich keines Zuges ihres Angesichtes, selbst wenn ich alle Nerven des Gehirns martere; nur das eine, das ganze Bild liegt auf ihnen, wie eingebrannt dem Spiegel meiner Augen, und wenn ich sie beide schließe, so sehe ich es noch immer vor mir schweben. Ich kann nicht sagen, daß ich sie liebe; denn man liebt ja nur was man kennt - und doch ist's, als wäre sie vor ungezählten Jahren in einem andern Sterne meine Gattin gewesen.
    Sind das Wechselseitigkeiten der Geister, sind es Seelenwahlverwandtschaften? Ist es gänzliche Narrheit?
    O Titus, Titus! da gehe ich in meinem Zimmer auf und ab, draußen am Himmel liegt eine schwere warme Wolkennacht, ganz ruhig, ganz ruhig - - und ich herinnen bin ein heftiger, schwärmerischer Thor und trage mich selber in ein immer heißeres Gefühl hinein.
    Ich mag nun Aston's versprochene Angela gar nicht einmal sehen und werde auch gar nicht hingehen - mir ekelt vor den sogenannten Schönheiten. Warum ich mich um sie gar nicht weiter erkundigte? - ich weiß es nicht - aber es schien mir so unwesentlich und nicht zu meiner Empfindung gehörig, daß ich auf den Gedanken nicht verfiel, und jetzt mache ich mir doch Vorwürfe, daß ich es nicht that. Du wirst wohl lächeln, daß ich wieder einmal außer mir bin; aber siehe, es ist herrlich um ein schwärmendes, hochwallendes Herz - es sind das Augenblicke, in denen wir uns ohne Vorwurf lieben dürfen - auch die Nacht stimmt zu der Feier. Ich habe den Schreibtisch an das Fenster gerückt und dasselbe geöffnet, und sternenlos schaut sie zu mir herein; aber selbst so ist sie großartig, besonders wenn, wie eben, am Himmel geheime Rüstung ist. Es schlägt zwölf Uhr, kein Lüftchen geht, die Lenznacht wird immer stiller und wärmer, immer seltner kommt an's Ohr das schwache Rollen verspäteter Wagen aus mancher träumenden Gasse, und am Rande des Gesichtskreises lechzen die Erstlingsblitze wie flüchtige Küsse der Mitternacht.
    Ich war an's Fenster getreten.
    Du große, weite, dämmervolle Stadt unter mir, ruhe wohl - auch
ihr
Herz, ein lebender, klopfender, fühlender Punkt unter den andern tausenden, pocht schlummernd in einem deiner Häuser. Ueber all die Dome und Paläste und Thürme breitet sich stumm und elektrisch der Gewitterhimmel, und
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