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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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gepflegt, und jede rohe Leidenschaft, die sich äußert, hat Verbannung aus dem Tusculum zur Folge. Kurz, ein wahres Götterleben beginnt in dieser großartigen Natur unter lauter großen sanften Menschen. Auch für ihre etwa kommenden Kinder ist mir nicht bange; sie werden schon recht erzogen werden.
    Ich gehe hin und bitte die Eheleute um des Himmels willen, sie möchten mich bei sich leben, malen und dichten lassen, als Kebsmann des Bildes meiner getrennten Zenobia, die ihrerseits wieder anderswo mit meinem Bilde in geistiger Ehe lebt.
    Du siehst schon daraus, Titus, daß ich sehr bald überschnappe.
    Aber der Gedanke von den Landhäusern ist nicht neu - nur die trefflichen Ehepaare habe ich erst jetzt dorthin versetzt. Die Landhäuser sind schon seit 1830 fertig, d. h. ich suchte den Platz dazu aus, als ich im besagten Jahre den Juli, August und September an den Ufern dieses Sees zubrachte. Ich lebte damals abwechselnd fast an allen Punkten seiner Umgebung und oft ganze Tage auf ihm selber. Ja, ich muß nur meine ganze Schwäche eingestehen - ich malte das Traunkirchner Ufer dazumal und die fertigen Häuser bereits hinein. Sie stehen der Landschaft trefflich zu Gesichte. Vom Traunsteiner Ufer gesehen, sind sie weißglänzende Punkte; aber dem Näherschiffenden wachsen liebliche Säulen aus dem Wasser und flattern umgekehrt, wie leichtfertige Bänder, in dem schwanken Spiegel. Es sind ihrer mehrere gezeichnet worden, und ein Billionär, der sie etwa auf das Großartigste ausführen wollte, kann täglich bei mir die Plane und Gemälde einsehen; ja ich wäre erbötig, dem Manne noch mehrere, die bis jetzt nur in meinem Kopfe sind, auf schönes Bristolpapier zu werfen. - - -
    Nun, Freund, da ich ausgeschwärmt, stehe ich Deiner letzten Frage und Klage Rede, daß ich nämlich immer in Fantasieen und Späßen herumjage und in meinem Tagebuche nichts von meinen persönlichen Verhältnissen anmerke. - Liebster, ich habe aber gar keine persönlichen Verhältnisse. Meine Seele bin ich, d. h. eben jenes spaßige, fantasirende Ding, das nebenher oft wieder gerührter ist, als kluge Leute leiden können. Willst Du aber auch von der Fassung dieses Dinges etwas wissen, so horche nur: Vier Treppen hoch liegt eine Stube - Schreib-, Wohn-, Schlaf- und Kunstgemach - lächerlich sieht es drinnen aus! Dichter, Geschichtschreiber, Philosophen, auch Mathematiker und Naturforscher liegen broschirt auf dem ungeheuren Schreibtische - dann Rechentafeln - Griffel, Federn, Messer, ein Kinderballen - mein kleiner Hund braucht ihn zum Spielen - ein Fidibusbecher, Handschriften, Tintenkleckse - - - daneben zwei bis drei Staffeleien in voller Rüstung; an den Wänden Bilder, auf den Fenstern Blumen, und noch eigens eine Menge derselben auf einem Gestelle; dann eine Geige, die ich Abends peinige, und rings Studien, Skizzen, Papiere, Folianten - Fuggers Ehrenspiegel des Erzhauses Oesterreich mit Stichen - dann noch anderes, woraus dem Eintretenden sofort klar wird, daß hier gelehrt gelebt werde und ein Junggesellenstand sei, in welchem eine große Anzahl Gulden Jahr aus, Jahr ein nicht da ist, wo aber Künste und Wissenschaften blühen und an Gefühlen ein wahrer Ueberfluß herrscht. - Hier nun lebt Dein Freund und verlegt sich auf das Schöne. Er lies't eine Menge Bücher, läuft spazieren - ja, der Unglückliche geht oft drei Tage spazieren und gelangt zum Schneeberge, was dann zur Folge hat, daß er wieder drei Tage zurückspazieren muß; aber er thut es gern, und begeht da gerade die besten Pfingstfeste seines Herzens. Dann malt er fleißig an Vormittagen - dann wohnt er wieder einen Tag in einer Bilder- oder Büchersammlung - macht Abends Besuche oder geht gar in eine Schenke, wo ein Kränzchen von Bekannten wacker plaudern und alle Wissenschaften handhaben - oder er nimmt sein Geräthe zur Hand und sitzt wochenlang auf den Bergen um Wien herum, und will dort die Natur abconterfeien. Wenn sie einen oder den andern Helden im Theater aufführen, so sitzt der frohe Kauz schon viel zu früh darinnen - manches Concert kann er kaum erwarten; in die Oper und in das Ballet geht er gar nicht, der Einseitige - und in diesem Augenblicke wird er häufig in der Gemäldeausstellung und im Paradiesgarten gesehen. In manchen Familien haben sie ihn lieb, und er geht oft hin; in andern können sie ihn nicht ganz gut leiden, und er geht auch hin, wenn er sie gleich durch verschrobene Begriffe ärgert.
    Nun, ich denke, hier hast Du persönliche Verhältnisse
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