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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie
Autoren: Tom Sharpe
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ehelichen Pflichten erlöst, widmete Lord Petrefact sich mit Energie und einer Rücksichtslosigkeit, die durch die Gewißheit beflügelt wurde, daß sein von einem Stab erstklassiger Rechtsanwälte ausgearbeitetes Testament unanfechtbar war, dem Aufstieg zu Ruhm und einem ungeheuren Vermögen. Seinen gesamten Besitz hatte er der Universität Kloone vermacht und ihr als sichtbares Zeichen seines guten Willens und als Beweis für seine Fortschrittlichkeit bereits den allermodernsten Computer hingestellt. Auf diese Weise blieben dem Petrefact-Konzern die Betriebs- und Instandhaltungskosten für den Computer erspart, und außerdem brachte die Abführung der Gewinne in gemeinnützige Kanäle ganz beträchtliche Steuervorteile. Als Lord Petrefact jetzt in seinem Büro mit Blick auf die Themse saß, wanderten seine Gedanken – stets eine Mischung aus Haß auf die Familie und finanziellem Kalkül – wieder einmal nach Kloone. Die Universität hatte zwar seinen Computer, aber in der Person von Professor Waiden Yapp auch jemanden, der sich nicht in erster Linie für das Programmieren verantwortlich fühlte. Yapp war schon bei zu vielen Arbeitskämpfen als Schlichter aufgetreten, als daß man ihn auf die leichte Schulter hätte nehmen können. Lord Petrefact dachte gerade darüber nach, wie hübsch er alles eingefädelt hatte, als Croxley hereinkam.
    »Sie haben geläutet?«
    Lord Petrefact betrachtete seinen Privatsekretär mit der üblichen Abneigung. Die beharrliche Weigerung dieses Mannes, ihn mit »My Lord« zu titulieren, ärgerte ihn jeden Tag aufs neue. Doch Croxley war schon fast ein halbes Jahrhundert bei ihm, und seine Loyalität zumindest war über jeden Zweifel erhaben. Desgleichen sein Gedächtnis. Bevor es den Computer gab, war Croxley der zuverlässigste menschliche Informationsspeicher, der Lord Petrefact je begegnet war. »Natürlich habe ich geläutet. Ich habe die Absicht, nach Fawcett zu fahren.«
    »Nach Fawcett? Aber es ist niemand dort, der Sie versorgen könnte. Das Hauspersonal wurde vor acht Jahren entlassen.«
    »Dann sorgen Sie dafür, daß sich irgendeine Privatfirma um Verpflegung und alles andere kümmert.«
    »Und brauchen Sie das Reanimationsteam?« Lord Petrefact stierte ihn an. Manchmal fragte er sich wirklich, ob Croxley das Hirn einer Laus hatte. Vermutlich nicht, da er ja dieses phänomenale Gedächtnis besaß, aber es gab Augenblicke, in denen Lord Petrefact doch Zweifel beschlichen.
    »Natürlich brauche ich das Reanimationsteam«, brüllte er. »Wofür zum Teufel habe ich denn sonst diesen roten Knopf?« Croxley starrte auf den roten Knopf am Rollstuhl, als erblicke er ihn zum erstenmal.
    »Außerdem brauche ich eine Computerprognose für die Produktionssteigerung in der Fabrik in Hull.«
    »Es gibt keine.«
    »Gibt keine? Es muß eine geben. Ich beschäftige diesen verdammten Computer doch nicht, damit er auf seinem faulen Arsch hockt und keine Prognosen auswirft. Dafür ist das verdammte Ding doch schließlich ...«
    »Keine Steigerung. Tatsache ist meinen letzten Informationen zufolge, daß die Produktion seit Inbetriebnahme der neuen Maschine um fast siebzehn Komma drei Periode Prozent gesunken ist. In den Monaten März und April war die Nutzung der Fabrik beschränkt auf ...«
    »Schon gut, schon gut«, brauste Lord Petrefact auf. »Verschonen Sie mich.«
    Und nachdem er seinen Privatsekretär mit dem Gedanken entlassen hatte, daß dieser verfluchte Mensch selbst ein periodischer Dezimalbruch war und daß er nicht die leiseste Ahnung hatte, warum er diesen Computer überhaupt angeschafft hatte, wo er doch Croxley hatte, lehnte sich Lord Petrefact in seinen Rollstuhl zurück und überdachte die nächsten Schritte seines langwierigen Kampfes gegen seine Arbeiterschaft. Die Schließung der Fabrik in Hull wäre eine kluge symbolische Geste. Aber zuerst mußte er noch die Sache mit Yapp deichseln. Und Fawcett House lag ganz in der Nähe von Kloone.

Kapitel 2
    Die Universitätsbibliothek von Kloone ist nicht gerade ein umwerfend schönes Gebäude. Sie steht auf einem grasbewachsenen Hügel, von dem aus man auf die Raffinerie, die Gaskessel und die chemischen Anlagen blickt, die den Studenten zur Inspiration dienen und der Universität zu einem Großteil ihrer Einnahmen hatten verhelfen sollen. Doch sie erfüllten weder den einen noch den anderen Zweck. Die Universität lockte Unmengen unterdurchschnittlicher Kunststudenten an und erwarb sich gleichzeitig den zweifelhaften Ruf,
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