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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie
Autoren: Tom Sharpe
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Gefühl, in die Luft zu fliegen. Eine endlose Sekunde lang flog der Wagen auf die Hausecke zu, bevor er mit einer Wucht, die die Vorderräder abriß und die hinteren nach innen knickte, auf die Straße herunterkrachte. Als es still wurde, beziehungsweise als zumindest der Nachhall des berstenden Metalls langsam verklang, hörte man Rosie schluchzen.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich nicht fahren kann«, jammerte sie. Der Polizeidirektor riß seine blutunterlaufenen Augen von dem Stoßdämpfer los, der sich durch den Sitz neben ihm gebohrt hatte, und beobachtete voller Ehrfurcht und Faszination, wie eins der Vorderräder elegant über einen entgegenkommenden Volkswagen rollte und über die Steinmauer an der Ecke hüpfte. Er nickte. Was Rosie Coppett soeben gesagt hatte, entsprach zweifellos der Wahrheit. Sie konnte nicht fahren. Kein Fahrlehrer, der noch bei Sinnen war, hätte es riskiert, tot neben ihr im selben Wagen zu enden. Das aber bedeutete, daß sie nicht der Zwergenschänder sein konnte. Da riß ihn der Inspektor, der eine gräßliche Farbe angenommen hatte und die merkwürdigsten Laute von sich gab, aus seinen Gedanken. Einen köstlichen Augenblick lang glaubte der Polizeidirektor an die Möglichkeit, ihn durch einen Herzinfarkt loszuwerden.
    »Ist alles in Ordnung, Inspektor?« fragte er gespannt. Diese Bemerkung rettete Inspektor Garnet das Leben. »Natürlich nicht, verdammt!« explodierte er und spuckte dabei ein Stück Gummikleber, das in seine Luftröhre gelangt war, durch die zerborstene Windschutzscheibe. »Glauben Schie mir jetscht, dasch schie nicht fahren kann?«
    »Ja.«
    »Dann habe ich alscho Ihre Erlaubnisch, Misch Petrefact in Unterschuchungschhaft schu nehmen?«
    »Ich denke schon, wenn Sie glauben, daß das unumgänglich ist. Aber ich würde Ihnen doch raten, sich erst ein neues Gebiß verpassen zu lassen.«

Kapitel 28
    Während der folgenden zwei Tage, in denen Inspektor Garnet in Windeseile ein neues Gebiß angepaßt wurde, tagte in Fawcett der Familienrat der Petrefacts. Emmelia wurde von Osbert hinübergefahren, und selbst Lord Petrefact sah sich, da sein persönlicher Ruf auf dem Spiel stand, gezwungen, der Versammlung beizuwohnen. Außerdem hatte die Erkenntnis, daß seine Schwester der Zwergenschänder war, Yapp in seinen Augen rehabilitiert.
    »Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß der Saukerl es schaffen würde?« sagte er während der Fahrt zu Croxley. »Offenbar hat er die alte Hexe in den Wahnsinn getrieben.«
    »Ich gratuliere«, sagte Croxley. »Sie müssen richtig stolz darauf sein. Es soll ja nichts Besseres geben als eine schlechte Presse.«
    »Halten Sie den Mund«, fauchte ihn der Peer an, dem diese Binsenweisheit verhaßt war.
    Zur selben Zeit erteilte Purbeck seiner Cousine Emmelia nahezu denselben Ratschlag.
    »Falls die Polizei dich in Gewahrsam nehmen sollte – was ich sehr bezweifle –, dann wirst du kein Wort sagen. Es besteht keinerlei Verpflichtung deinerseits, bei der Polizei irgendeine Aussage zu machen, die vor Gericht gegen dich verwendet werden könnte. Falls der Inspektor kommt, um dich abzuholen, wird er dir deine diesbezüglichen Rechte vorlesen. Sollte er dies versäumen, verstößt er selbst gegen das Gesetz.«
    »Mit einem Wort, du rätst mir, es zu machen wie Thorpe«, sagte Emmelia.
    Der Richter war empört. »Darf ich dich daran erinnern, daß Mr. Thorpe ein unschuldiger Mann war«, sagte er streng.
    »Wohingegen ich keine unschuldige Frau bin. Ich bin dumm und ...«
    »Das festzustellen ist nicht deine Aufgabe«, unterbrach sie der Richter hastig. »Davon muß die Anklage die Geschworenen erst überzeugen.«
    »Es sei denn, ich bekenne mich schuldig«, sagte Emmelia. Entsetzt starrte die versammelte Familie sie an. Sogar Lord Petrefact wurde bläßlich.
    »Aber das kannst du doch unmöglich tun«, stieß der Brigadegeneral schließlich mühsam hervor. »Ich will damit sagen, du mußt doch an die Familie denken ...«
    »Denk an Rampton. Denk an die Kliniken für geisteskranke Kriminelle«, sagte der Richter düster.
    »Denk an die Publicity«, winselte Lord Petrefact. »Daran hättest du denken sollen, bevor du diesen Professor Yapp angeheuert hast, um die Familiengeschichte zu schreiben«, fauchte sie ihn an. »Hättest du den armen Mann nicht nach Buscott geschickt, wäre er jetzt nicht da, wo er ist.«
    »Das ist eine völlig unlogische Aussage«, meinte der Richter. »Er könnte ohne weiteres jemand anderen ermordet haben.« Hilfesuchend
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