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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie
Autoren: Tom Sharpe
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daß Rosie an den Abenden, an denen die Überfälle stattfanden, wegging.«
    »Na und? Was spricht denn dagegen?«
    »Gar nichts, Sir ... falls Rosie Auto fahren kann. Falls nicht ...«
    »Aber die Haushälterin könnte vielleicht selbst der Zwergenschänder gewesen sein.«
    »Dafür ist sie zu klein. Samt Schuhen ist sie nicht einmal einsfünfundfünfzig, und was die fünfundsechzig Kilo betrifft ...«
    »Verdammt«, sagte der Polizeidirektor und stieg widerwillig in den Wagen. Sie fuhren vor die Stadt und auf den Cliffhanger Hill hinauf.
    »Alsdann, Rosie«, sagte der Inspektor und räumte den Fahrersitz, »Sie sehen diesen hübschen Hügel da vor uns. Ich möchte, daß Sie uns zeigen, wie gut Sie fahren können. Wenn Sie jetzt bitte hinüberrutschen und das Steuer übernehmen würden, werde ich mich hier neben Sie setzen und ...«
    »Aber ich kann doch gar nicht fahren«, sagte Rosie mit Tränen in den Augen. »Ich habe nie behauptet, daß ich das kann.«
    »Wenn das so ist, dann müssen Sie den Hügel hinunterfahren, um es zu lernen.«
    »Scheiße«, preßte der Polizeidirektor ganz gegen seine Gewohnheit hervor, als Rosie widerwillig auf den Fahrersitz und hinter das Steuer rutschte. Der Inspektor kletterte auf den Beifahrersitz und legte den Sicherheitsgurt an. »Also, fahren Sie einfach los«, sagte er, ohne von Rosies sichtlicher Hilflosigkeit Notiz zu nehmen. »Die Gänge sind wie bei der normalen H-Schaltung, und die Handbremse befindet sich gleich neben Ihnen.«
    »Aber wie startet man denn?« fragte Rosie. »Man dreht diesen Schlüssel.«
    »Lieber Himmel«, sagte der Polizeidirektor und versuchte die hintere Tür zu öffnen, doch Rosie hatte den Schlüssel bereits gedreht. Zu ihrer Verblüffung sprang der Motor an. »Jetzt die Handbremse«, sagte der Inspektor, wild entschlossen, den Polizeidirektor ein für allemal davon zu überzeugen, daß es schierer Wahnwitz war, Rosie Coppett für den Zwergenschänder zu halten, und zusätzlich ermutigt durch die Fluchtgeräusche im Fond des Wagens. Doch bevor er die Situation vollends auskosten konnte, hatte sich das Auto bereits in Bewegung gesetzt und rollte mit zunehmender Geschwindigkeit den Hügel hinab.
    »Tun Sie den Scheißgang rein«, brüllte er, aber Rosie war für seine Anweisungen taub. Sie umkrampfte das Steuerrad, stemmte die Füße gleichzeitig gegen Kupplung und Gaspedal und starrte gebannt geradeaus. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie außerstande, das zu tun, was ein Polizist ihr sagte, selbst wenn sie ihn über den aufjaulenden Motor hinweg hätte schreien hören können. Der Polizeidirektor hinter ihr hatte zu scharren aufgehört. Als sie an einem Verkehrsschild vorbeisausten, das ein steiles Gefalle ankündigte und den Autofahrern das Einlegen eines niedrigen Ganges empfahl, war er endgültig überzeugt, daß Rosie nicht die blasseste Ahnung vom Autofahren hatte. Mit einer Geschwindigkeit von schätzungsweise einhundertzwanzig Stundenkilometern steuerte der Wagen geradewegs auf einen Tanklastzug zu, der sich den Hügel heraufquälte, »Ihr, die ihr einsteigt, laßt alle Hoffnung fahren«, begann der Polizeidirektor anstelle eines Gebets und schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, wie der Inspektor, empfindlich behindert durch das, was man ansonsten mit Fug und Recht als Sicherheitsgurt bezeichnet, verzweifelt versuchte, das Steuer aus Rosies Klammergriff zu befreien und gleichzeitig seinen rechten Fuß auf das Bremspedal zu kriegen, woran ihn der im Leerlauf stehende Schaltknüppel nachhaltig hinderte. Als sie ins Schlingern gerieten, um ein Haar einen zweiten Laster rammten und direkt auf eine Hausecke zurasten, nahm der Inspektor seinen ganzen Mut zusammen. Genaugenommen packte er den Schaltknüppel, rammte ihn in den Rückwärtsgang und entfernte Rosies Füße mit einem Tritt von der Kupplung. Für den Bruchteil einer Sekunde schien das Auto zu zögern. Doch schon im nächsten Augenblick, hin- und hergerissen zwischen widersprüchlichen Anweisungen, achttausend Motorumdrehungen und den Rädern, die mit hundertzwanzig Stundenkilometern bergab rasten, explodierte das Getriebe. Als sich Teile der hochkomplizierten Maschinerie wie Granatsplitter durch den Boden bohrten, hatte der Polizeiinspektor für einen Augenblick das Gefühl, als seien sie auf eine Mine aufgefahren.
    Die Wirkung jedenfalls war ziemlich ähnlich. Erst die Explosion, dann die Granatsplitter, und jetzt, wo sich die Antriebswelle in den Asphalt grub, das
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