Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
würdest du das ohne weiteres verstehen.«
    »Was?«, fragte er ungläubig.
    »Dass ich es nicht will, hat nichts damit zu tun, dass man es mir erlauben sollte für den Fall, dass ich es wollte! Frag jeden beliebigen Mann!«
    Er schüttelte den Kopf. »Was soll ich den fragen?«
    »Ob er mich oder eine andere darüber entscheiden lassen würde, was er darf oder nicht darf«, sagte sie aufgebracht.
    »Was soll er dürfen oder nicht dürfen?«
    »Alles Mögliche!«, stieß sie ungeduldig hervor, als sei die Antwort klar. »Bestimmte Leute machen anderen Leuten Vorschriften, nach denen sie leben sollen, obwohl sie die für sich selbst nie im Leben gelten lassen würden. Begreifst du nicht, Thomas? Haben dir die Kinder, wenn du sie aufgefordert hast, etwas zu tun, noch nie gesagt: ›Du tust es doch auch nicht!‹? Du kannst ihnen zwar sagen, dass sie unverschämt sind, und sie ins Bett schicken, aber du weißt auch, dass du sie damit ungerecht behandelst und dass ihnen das ebenfalls klar ist.«
    Er errötete, weil ihm der eine oder andere Anlass einfiel, bei
dem er sich in der Tat so verhalten hatte. Er wollte nicht mit ihr streiten, und so verzichtete er darauf, auf die Fragwürdigkeit von Parallelen zwischen der Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Frauen und der von Eltern gegenüber Kindern einzugehen. Ihm war klar, warum sie das gesagt hatte. Er spürte in sich selbst die gleiche Wut und Enttäuschung, doch um das zu zeigen, gab es bessere Möglichkeiten als Temperamentsausbrüche.
    »Du hast Recht«, sagte er unzweideutig.
    Überrascht riss sie die Augen weit auf. Dann begann sie unwillkürlich zu lachen und legte ihm die Arme um den Hals. Er zog sie an sich, liebkoste ihre Schulter, die sanfte Linie ihres Halses, und küsste sie schließlich.
     
    Pitt begleitete Charlotte, Gracie und die Kinder zum Bahnhof, der Endstation für alle Züge aus dem Südwesten des Landes war. Unter dem Dach der riesigen Halle, in der Reisende in alle Richtungen durcheinander hasteten, wurde jedes Geräusch vielfach verstärkt. Man sah Menschen, die einander begrüßten, und solche, die Abschied voneinander nahmen, hörte das Zischen von Dampflokomotiven, das Zuschlagen von Waggontüren, den Hall von Schritten und das Dröhnen der Räder von Gepäckkarren auf den Bahnsteigen. Der erregende Geruch nach Abenteuer lag in der Luft. Was mochte hier alles beginnen und enden!
    Voll Ungeduld hüpfte Daniel auf und ab. Edward, genauso blond wie Emily, bemühte sich, daran zu denken, dass man von einem Lord Ashworth ein würdiges Auftreten verlangte, doch es gelang ihm nur kurz. Schon nach fünf Minuten rannte er den Bahnsteig entlang, weil er sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte zuzusehen, wie die Flammen aufloderten, während ein Heizer Kohlen in den unersättlichen Rachen einer riesigen Lokomotive schaufelte. Der Mann hob den Blick, lächelte dem Jungen zu, wischte sich mit der Hand über die Stirn und schaufelte weiter.
    »Jungs!«, murmelte Jemima halblaut, wobei sie ihrer Mutter einen Blick zuwarf.
    Gracie, immer noch nicht viel größer als zu der Zeit, da das
Ehepaar Pitt sie als Dreizehnjährige aufgenommen hatte, hatte sich für die Reise herausgeputzt. Obwohl sie London erst zum zweiten Mal verließ, um in die Sommerfrische zu reisen, brachte sie es fertig, ausgesprochen welterfahren und gelassen dreinzublicken. Allerdings glänzten ihre Augen, ihre Wangen waren gerötet – und sie klammerte sich an ihre Reisetasche, als hinge ihr Leben davon ab.
    Es war Pitt klar, dass sie alle um ihrer eigenen Sicherheit willen die Stadt verlassen mussten. Er wollte Voisey ohne Ängste und in dem Bewusstsein entgegentreten, dass sie sich an einem Ort befanden, wo er sie keinesfalls aufspüren konnte. Dennoch empfand er Trauer, als er einen Träger rief und ihn anwies, das Gepäck seiner Angehörigen einzuladen, wofür er ihm eine Drei-Penny-Münze gab.
    Der Mann tippte sich an den Mützenschirm und lud das Gepäck auf seinen Karren. Pfeifend entfernte er sich, und schon ging dies Geräusch im Zischen des Dampfes, im Rhythmus der hin und her fahrenden Kohlenschaufeln und dem Schrillen einer Trillerpfeife unter, mit der ein Zug abgefertigt wurde, der anfuhr und bald immer schneller wurde.
    Daniel und Edward rannten auf der Suche nach einem möglichst leeren Abteil den Bahnsteig entlang. Schließlich kamen sie wild winkend und unter Triumphgeheul zurück.
    Die Reisenden brachten ihr Handgepäck in den Waggon und traten dann an die Tür, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher