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Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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2. Teil
    © 2011 Richard Dübell
     

    Die Erinnerung an bessere Zeiten kam immer dann hoch, wenn Rainald ihr am schutzlosesten ausgeliefert war. Er sah sein jüngeres Selbst, wie es seinen Sohn Johannes sanft auf die Wiege zuschob. „Keine Sorge, sie beißt dich nur, wenn du versuchst, ihr die Brust zu geben“, sagte er.
„Herr von Mandach!“, erklang Sophias empörte Stimme vom Bett her.
Rainald fühlte sich fast betrunken vor Freude und Erleichterung. Eine Weile hatte es so ausgesehen, als würde die Geburt schief gehen; dann war Sophias Leben auf Messers Schneide gestanden, weil sie zuviel Blut verloren hatte. Rainalds Frau war immer noch blass und schwach, aber es war gesichert, dass sie überleben würde. Die Wiege schaukelte, und ihr Inhalt gluckste und krähte im Schlaf.
„Schau rein, Sohn“, sagte Rainald leise. „Das ist deine kleine Schwester. Blanka von Mandach, ich stelle dir deinen großen Bruder vor.“
„… hässlich“, befand Johannes nach einer Weile.
„Das ist doch die Höhe. Einer schlimmer als der andere. Raus mit euch, ihr Klötze!“, sagte Sophia, doch Rainald hörte das Lachen in ihrer Stimme.
„Das ist jetzt eine Frauenkammer“, erklärte Rainald. „Männer haben hier nichts verloren. Ziehen wir uns zurück, aber in Würde.“
Beide stolzierten hinaus. Rainald verbeugte sich vor dem Bett. Als er sich aufrichtete, tat Johannes es ihm nach. Rainald fing einen Blick seiner Frau auf. Sie warf ihm einen verstohlenen Kuss zu. Er grinste.
„Hoffentlich bleibt sie nicht so hässlich“, sagte Johannes draußen.
„Keine Sorge. Du hast auch so ausgesehen.“
„Das stimmt nicht!“
Rainald lachte. Er zog Johannes zu sich heran und drückte ihn. Der Junge schlang die Arme um ihn, so weit er konnte. „Du hast jetzt eine Verpflichtung für dein ganzes Leben“, sagte Rainald. „Du musst ein Auge auf deine Schwester haben. Vertreib jeden, der sich ihr nähert und ihr Böses will – zwickende Gänse, schnappende Hunde, feuerspuckende Drachen und Freier ohne Vermögen. Die vor allem.“ „Was sind Freier?“
„Die schlimmste Pest, mein Sohn.“ Rainald grinste. „Großvater hat einmal gesagt, von allen Freiern musste Mama ausgerechnet den nehmen, der am wenigsten Vermögen hatte.“
„So“, machte Rainald, dessen Grinsen an Breite verlor. „Hat Onkel Wolfram nicht genügend auf Mama aufgepasst?“ „Onkel Wolfram hat jedenfalls genügend auf Papa aufgepasst“, sagte Rainald sanft. „So gut, dass es ihn vor Iconium erwischte und nicht mich.“ Er räusperte sich. „Die Frauen sind die bessere Hälfte von uns Männern. Deshalb müssen wir auf sie aufpassen. Ich passe auf eure Mutter auf, und du auf deine kleine Schwester. Das ist ein Befehl, hast du mich verstanden, mein kleiner Waffengefährte?“
„Jawohl, mein Hauptmann“, sagte Johannes.
Rainald zog ihn erneut zu sich heran und drückte ihn, so fest er konnte.
„Du solltest es dir wirklich überlegen“, sagte die Stimme Schwester Venias. Rainald fand mühsam in die Gegenwart zurück.
„Was?“
„Das mit der Stadt. Du bringst deine Gruppe nicht unbeschadet durch die Nacht. Such in der Stadt Unterschlupf.“ „Ihr könnt jederzeit allein zur Stadt laufen.“
„Warum sträubst du dich?“
„Ich gehe nicht in die Stadt! Und ich habe Hermann meine Zusage gegeben.“
„Er wird verstehen, wenn du einen oder zwei Tage später kommst.“
„Die Stadt ist außer Diskussion!“, zischte Rainald. „Entweder Ihr hört auf damit, oder ich vergesse, dass ich mal geschworen habe, auf Frauen und Klosterschwestern Rücksicht zu nehmen!“
"Papa", sagte Blanka plötzlich, und ihre Stimme veranlasste alle, sich zu ihr umzudrehen.
Sie deutete zwischen die Bäume. Rainald hörte, wie Schwester Venia die Luft einsog. Johannes machte ein Geräusch in der Kehle.
"Keiner sagt ein Wort", befahl Rainald. Ohne hinzusehen, lockerte er sein Schwert in der Scheide und zog es so langsam er konnte heraus. Seine Muskeln begannen vor Anspannung zu schmerzen, und er erkannte, dass er die Luft angehalten hatte. Vorsichtig stieß er den Atem aus und sah die Wolke vor seinem Gesicht.
"Ihr fangt jetzt alle an, rückwärts zu gehen", sagte Rainald leise. "In aller Ruhe. Wenn ihr angefangen habt zu gehen, dann haltet nicht mehr an."
"Papa ...", sagte Blanka mit derselben kranken Stimme wie vorhin.
"Keine Sorge, meine Kleine."
"Aber ..." Johannes’ Stimme gellte.
"Leise!", hauchte Rainald und schaffte es, soviel Wut darin unterzubringen, dass Johannes
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