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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
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Geniestreich zunutze gemacht – das ist sein Geniestreich.«
    Pitt räusperte sich. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Er ist ein nationaler Held! Die Königin hat ihn in den Adelsstand erhoben, weil er die Monarchie gerettet hat«, sagte Narraway, stellte die Füße nebeneinander und beugte sich vor. Mit einem Mal verzerrten Hass und Bitterkeit seine Züge. »Er kandidiert für das Unterhaus!«
    Pitt glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. »Was sagen Sie da?«
    »Sie haben es gehört! Er kandidiert für einen Unterhaussitz. Sofern man ihn wählt, wird er die Macht des Inneren Kreises dazu nutzen, sehr rasch in der Partei aufzusteigen. Er ist von seinem Posten als Richter am Appellationsgericht zurückgetreten und wird sich künftig der Politik verschreiben. Bald werden die Konservativen die Regierung bilden. Gladstone macht es bestimmt nicht mehr lange. Einmal davon abgesehen, dass er dreiundachtzig Jahre alt ist, wird ihm die Frage der irischen Unabhängigkeit den Hals brechen.« Er nahm den Blick nicht von Pitts Gesicht. »Dann werden wir Voisey als Lordkanzler sehen, als Mann an der Spitze der Justiz des britischen Weltreichs! Er wird die Macht haben, jedes Gericht im Lande zu korrumpieren, was letzten Endes darauf hinauslaufen wird, dass man sich auf keines mehr verlassen kann.«
    Die Vorstellung war entsetzlich, aber Pitt konnte sich bereits ausmalen, auf welche Weise es dazu kommen könnte. Jedes Gegenargument erstarb auf seinen Lippen, bevor er es äußerte.
    Narraway entspannte sich kaum merklich. »Er tritt im Wahlkreis South Lambeth an.«
    Vor seinem geistigen Auge sah Pitt den Londoner Stadtplan vor sich. »Gehört nicht auch Camberwell oder Brixton dazu?«
    »Beide.« Narraway sah ihn unverwandt an. »Und Voisey gehört der konservativen Partei an, während der Sitz bisher fest in der Hand der Liberalen war. Davon lasse ich mich aber keinesfalls einlullen, und falls Sie das beruhigt, sind Sie ein Tor!«
    »Das tut es ganz und gar nicht«, sagte Pitt kalt. »Er wird seine Gründe haben. Bestimmt gibt es jemanden, den er bestechen
oder einschüchtern kann. Vermutlich weiß der Innere Kreis, wo man den Hebel ansetzen muss. Wer kandidiert denn dort für die Liberalen?«
    Narraway nickte betont langsam, ohne den Blick von Pitts Gesicht zu nehmen. »Ein Neuer, ein gewisser Aubrey Serracold.«
    Pitt stellte die Frage, die sich aufdrängte: »Gehört er zum Inneren Kreis, so dass er im letzten Augenblick von der Kandidatur zurücktreten oder irgendwie dafür sorgen kann, dass er die Wahl verliert?«
    »Nein«, sagte Narraway mit Bestimmtheit, ohne zu erklären, woher er das wusste. Sofern er Kontakte zum Inneren Kreis hatte, legte er sie nicht einmal seinen eigenen Leuten gegenüber offen. Allerdings wäre Pitt auch von ihm enttäuscht gewesen, wenn er sich anders verhalten hätte. »Wenn ich wüsste, woher der Wind weht oder auf welche Weise man die Sache deichseln will, wäre ich nicht darauf angewiesen, Sie hier in London zu behalten, damit Sie sich darum kümmern«, fuhr Narraway fort. »Es könnte sich als einer der größten Fehler jener Leute erweisen, dass man Sie aus der Bow Street hinausgedrängt hat.« Sogleich fühlte sich Pitt an die Ungerechtigkeit erinnert, die man ihm zugefügt hatte, aber auch an das Ausmaß der Macht, die jene Menschen besaßen. Narraway gab sich keinerlei Mühe zu verbergen, dass er genau wusste, was er da sagte.
    »Ich kann doch die Wahl nicht beeinflussen«, entgegnete Pitt bitter. Dies war kein Argument mehr dagegen, dass er nicht mit Charlotte und den Kindern in den Urlaub fahren konnte, sondern Ausdruck seiner Hilflosigkeit angesichts eines unlösbaren Problems. Er hätte nicht gewusst, wo er anfangen sollte, ganz davon zu schweigen, wie es ihm gelingen könnte.
    »Nein«, gab ihm Narraway Recht. »Für den Fall, dass ich so etwas beabsichtigte, würden mir geeignetere Männer als Sie zur Verfügung stehen.«
    »Außerdem wären Sie in dem Fall kaum besser als Voisey«, sagte Pitt eisig.
    Seufzend setzte sich Narraway etwas bequemer hin. »Sie sind ziemlich treuherzig, Pitt, aber das war mir von vornherein
klar. Ich arbeite mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, und versuche erst gar nicht, mit einem Schraubenzieher Holz zu sägen. Hören Sie sich um, und halten Sie die Augen offen. Sie werden erfahren, welche Leute Voisey an der Hand hat und wie er sie einsetzt. Sie werden etwas über Serracolds Schwächen erfahren und darüber, auf welche
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