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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
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vor allem um Fenier.« Erneut runzelte er die Stirn. »Belüg mich nicht, Thomas. Sag mir lieber, ich soll mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, als mich mit Ausflüchten abzuspeisen.«
    »Das sind keine Ausflüchte«, sagte Pitt. »Es geht um einen bestimmten Unterhaussitz, und soweit ich weiß, hat er weder
mit der irischen Frage noch mit Sprengstoffanschlägen etwas zu tun.«
    »Und warum setzt man dich darauf an?«, fragte Jack ruhig. »Hat es etwa mit der Adinett-Sache zu tun?« Damit bezog er sich auf den Mordfall, bei dessen Verfolgung Pitt den Inneren Kreis und Voisey so sehr gegen sich aufgebracht hatte, dass sie ihn von seinem Amt in der Bow Street hatten ablösen lassen, um sich an ihm zu rächen.
    »Mittelbar«, räumte Pitt ein. »Gleich ist es so weit, dass ich dir sagen muss, du sollst dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
    »Um welchen Sitz geht es?«, fragte Jack vollkommen gelassen. »Wenn ich das nicht weiß, kann ich dir nicht helfen.«
    »Das kannst du sowieso nicht«, gab Pitt trocken zurück. »Außer mit Angaben über Sachfragen und den einen oder anderen Rat, wie ich mich am geschicktesten verhalten soll. Hätte ich mich doch früher mehr um Politik gekümmert, dann wüsste ich die Antworten selbst!«
    Ein breites Lächeln, in dem eine ganze Portion Selbstironie lag, trat auf Jacks Gesicht. »Das denke ich auch jedes Mal, wenn ich mir überlege, wie knapp unsere Mehrheit diesmal wohl ausfallen wird.«
    Gern hätte Pitt gefragt, als wie sicher Jacks Sitz einzuschätzen war, hielt es aber für klüger, diese Frage einem anderen zu stellen. »Kennst du Aubrey Serracold?«, fragte er stattdessen.
    Jack schien überrascht. »Ja, eigentlich sogar ziemlich gut. Seine Frau ist mit Emily befreundet.« Wieder runzelte er die Stirn. »Warum willst du das wissen, Thomas? Ich würde fast jede Wette eingehen, dass er hochanständig ist – ein ehrlicher, intelligenter Mann, der mit seinem Engagement in der Politik dem Lande dienen will. Er ist auf Geld nicht angewiesen und sucht die Macht nicht um ihrer selbst willen.«
    Eigentlich hätte das Pitt beruhigen müssen, doch stellte er sich jetzt einen Mann vor, dem eine Gefahr drohte, die er erst erkennen würde, wenn es zu spät war. Es war ohne weiteres möglich, dass Serracold einen Feind nicht einmal als solchen erkannte, weil dessen Wesen seinen Vorstellungen fremd war.
    Hatte Jack womöglich Recht, und sollte ihm Pitt die Wahrheit sagen? Brachte er sich dadurch, dass er es nicht tat, möglicherweise um die einzige Waffe, die ihm zu Gebote stand? Narraway hatte ihm eine Aufgabe zugewiesen, die unlösbar schien. Es ging nicht um die übliche Art der Detektivarbeit, die er gewohnt war. Hier versuchte er nicht ein Verbrechen aufzudecken, sondern etwas zu verhindern, das moralisch unannehmbar war, aber vermutlich nicht gegen die Gesetze des Landes verstieß. Es ging nicht darum, dass Voisey nicht an die Macht kommen sollte – dazu hatte er dasselbe Recht wie jeder andere Kandidat –, sondern darum, wozu er sie unter Umständen in zwei oder drei, vielleicht auch erst in fünf oder zehn Jahren nutzen würde. Man kann aber niemanden für etwas bestrafen, wovon man annimmt, dass er es künftig möglicherweise tun könnte – wie verworfen auch immer es sein mag.
    Jack beugte sich über seinen Schreibtisch vor. »Thomas, Serracold ist ein guter Bekannter. Sag es mir bitte, falls ihm Gefahr droht.« Merkwürdigerweise wirkten seine Worte gerade deshalb so eindrucksvoll, weil er sie ohne besonderen Nachdruck sagte. »Genau wie du habe auch ich den Wunsch, Menschen zu schützen, die mir nahe stehen. Freundestreue hat für mich einen hohen Stellenwert. Sollte sich das eines Tages ändern, möchte ich mit der Politik nichts mehr zu tun haben.«
    Nicht einmal damals, als Pitt gefürchtet hatte, Jack mache Emily wegen ihres Geldes den Hof, war es ihm möglich gewesen, ihn unsympathisch zu finden. Von ihm ging menschliche Wärme aus, er war zu Selbstironie fähig und sagte stets offen heraus, was er dachte, was seinen Charme verstärkte. Pitt sah keine Möglichkeit weiterzukommen, ohne etwas zu riskieren, denn bei einem Kampf gegen Voisey gab es keinerlei Sicherheit, weder am Anfang noch im weiteren Verlauf.
    »Soweit ich weiß, droht ihm keinerlei Gefahr für Leib und Leben«, gab Pitt zur Antwort und hoffte, dass es richtig war, sich Narraways Anweisungen zu widersetzen und Jack zumindest einen Teil der Wahrheit anzuvertrauen. Mochte der
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