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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
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Himmel geben, dass die Folgen dieser Entscheidung nicht auf sie zurückfielen und sie beide mit sich rissen! »Wohl aber könnte
er durch betrügerische Machenschaften seinen Unterhaussitz einbüßen.«
    Jack wartete, als wisse er, dass das noch nicht alles war.
    »Und vielleicht seinen guten Namen verlieren«, fügte Pitt hinzu.
    »Und wer steckt dahinter?«
    »Wenn ich das wüsste, fiele es mir sehr viel leichter, Vorkehrungen dagegen zu treffen.«
    »Heißt das, du kannst es mir nicht sagen?«
    »Es heißt, dass ich es nicht weiß.«
    »Warum bist du dann gekommen? Du musst doch etwas wissen.«
    »Natürlich will jemand politisches Kapital daraus schlagen.«
    »Also sein Gegner. Wer noch?«
    »Die Menschen, die hinter ihm stehen.«
    Jack wollte etwas sagen, unterbrach sich dann aber. »Vermutlich steht hinter jedem ein anderer. Am wenigsten Sorgen muss man sich um die machen, die man sehen kann.« Er erhob sich langsam. Er war fast von gleicher Größe wie Pitt, aber so elegant, wie dieser unordentlich war. Er war von einer natürlichen Anmut und ebenso tadellos gekleidet und gepflegt wie einst, als er nichts besaß als seinen Charme. »Ich würde mich gern weiter mit dir darüber unterhalten, aber ich muss in einer Stunde zu einer Besprechung, und ich habe noch nichts Vernünftiges gegessen. Kommst du mit?«
    »Gern«, nahm Pitt die Einladung an und stand ebenfalls auf.
    »Wir könnten ins Abgeordneten-Restaurant gehen«, schlug Jack vor und hielt Pitt die Tür auf. Er zögerte kurz, als mache er sich Sorgen wegen Pitts Aussehen. Zwar war sein Kragen sauber, aber seine Krawatte saß schief, und seine Jackentaschen waren ausgebeult. Er seufzte kurz auf, sagte aber nichts.
    Pitt folgte ihm. Von seinem Platz aus sah er unauffällig, aber fasziniert zu den anderen Abgeordneten hinüber, so dass er kaum zum Essen kam. Es waren lauter Gesichter, die er in den Zeitungen gesehen hatte. Von vielen wusste er den Namen, andere kamen ihm bekannt vor, ohne dass er hätte sagen können, wer sie waren. Insgeheim hoffte er, auch Gladstone zu sehen.
    Jack sah ihm lächelnd zu und amüsierte sich sichtlich.
    Als sie gerade die Hälfte ihres Nachtischs verzehrt hatten, trat ein breitschultriger Mann mit schütterem blonden Haar an ihren Tisch. Jack stellte ihn als Finch vor, den Abgeordneten eines der Wahlkreise von Birmingham, und Pitt als seinen Schwager, ohne dessen Beruf zu nennen.
    »Angenehm«, sagte Finch und wandte sich dann Jack zu. »Hören Sie, Radley, haben Sie schon gehört, dass sich dieser Hardie tatsächlich hat aufstellen lassen? Noch dazu in West Ham South, nicht mal in Schottland.«
    »Hardie?« Jack verzog fragend das Gesicht.
    »Keir Hardie!«, sagte Finch ungeduldig, ohne weiter auf Pitt zu achten. »Der war seit seinem elften Jahr Bergmann. Womöglich kann er nicht mal lesen oder schreiben – und so jemand will ins Unterhaus! Es heißt, er tritt für die Labour-Partei an  … was auch immer das sein mag.« Er spreizte die Finger. »So was ist nicht gut, Radley! Gewerkschaften und dergleichen. Das ist unser Gebiet … Natürlich hat er nicht die geringste Aussicht reinzukommen. Aber diesmal sind wir auf jede Unterstützung angewiesen, die wir bekommen können.« Er senkte die Stimme. »Es wird verdammt knapp. Wir dürfen in der Frage der Arbeitswoche auf keinen Fall nachgeben, das würde uns in wenigen Monaten an den Rand des Abgrunds bringen. Wenn doch der Alte die irische Frage eine Zeit lang ruhen ließe. Damit bricht er uns noch das Genick!«
    »Mehrheit ist Mehrheit«, gab Jack zur Antwort. »Auch mit zwanzig oder dreißig Sitzen Mehrheit lässt sich noch etwas machen.«
    Finch knurrte. »Das hält nicht lange vor. Wir brauchen mindestens fünfzig. War schön, Sie kennen zu lernen … Pitt? Sagten Sie Pitt? Ein guter Tory-Name. Sind Sie etwa Tory?«
    Pitt lächelte. »Wäre dagegen etwas einzuwenden?«
    Finch sah ihn mit seinen blauen Augen mit einem Mal sehr direkt an. »Unbedingt, Sir. Man sollte den Blick auf die Zukunft richten. Es geht um kluge Reformen, die Schritt für Schritt durchgeführt werden müssen. Die Konservativen interessieren sich nur für ihre eigenen Angelegenheiten, doch damit wird nichts geändert, sondern man bleibt starr der Vergangenheit
verhaftet. Aber wir brauchen auch keinen hirnrissigen Sozialismus, der alles umkrempeln will, das Gute wie das Schlechte ändern, als wenn die Vergangenheit überhaupt nichts wert wäre. Wir sind das bedeutendste Volk auf der Erde, Sir, aber
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