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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
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man hatte ihn von klein auf dazu erzogen, eine Niederlage mit ebenso viel Würde zu tragen wie einen Sieg. Daher wandte er sich zu Voisey und hielt ihm die Hand hin.
    Voisey nahm sie, dann die des Wahlleiters. Anschließend trat er vor, um seinen Anhängern zu danken.
    Pitt war erstarrt. Er hätte es sich denken müssen, hatte aber bis zum bitteren Ende gehofft. Er spürte die Niederlage wie ein schweres Gewicht in der eigenen Brust.
    Ansprachen wurden gehalten, Jubel ertönte. Schließlich verließ Voisey das Podium und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Er wollte seinen Sieg unbedingt bis zum Letzten auskosten. Er musste sehen, ob Pitt da war, ihm gegenübertreten und sicherstellen, dass auch er davon wusste.
    Im nächsten Augenblick stand er so dicht vor ihm, dass er ihn hätte berühren können.
    Pitt hielt ihm die Hand hin. »Herzlichen Glückwunsch, Sir Charles«, sagte er kühl. »In gewissem Sinne haben Sie das verdient, denn Sie haben einen weit höheren Preis gezahlt, als das Serracold je gekonnt hätte.«
    Die Belustigung in Voiseys Augen war unübersehbar. »Tatsächlich? Nun, so etwas muss man sich leisten können, Pitt. Das ist der Unterschied zwischen den Männern, die nach oben kommen, und denen, die es nicht schaffen.«
    »Ich nehme an, Sie wissen, dass bei der Explosion in der Southampton Row heute Morgen Bischof Underhill und Lena Forrest ums Leben gekommen sind?«, fuhr Pitt fort. Er hatte sich so vor Voisey gestellt, dass dieser nicht an ihm vorüber konnte.
    »Ja, das habe ich gehört. Eine unglückselige Geschichte.« Er lächelte nach wie vor. Er wusste, dass er in Sicherheit war.
    »Vielleicht wissen Sie aber noch nicht, dass man Francis Wray einer Obduktion unterzogen hat«, setzte Pitt nach. Er sah, dass ein unruhiges Flackern in Voiseys Augen trat. »Digitalis-Gift.« Er sagte die Worte besonders deutlich. »In Törtchen mit einer Füllung aus Himbeerkonfitüre … Ein Irrtum ist nicht möglich. Ich bin nicht im Besitz des Obduktionsberichts, habe ihn aber gesehen.«
    Voisey sah ihn ungläubig an. Es war deutlich zu erkennen, dass er das soeben Gehörte nicht fassen konnte. Eine Schweißperle trat auf seine Lippe.
    »Sonderbar ist nur«, sagte Pitt mit feinem Lächeln, »dass es im ganzen Haus keine Himbeerkonfitüre gab, außer als Füllung in zwei Törtchen, die eine gewisse Octavia Cavendish als Geschenk mitgebracht hatte. Ich habe keine Ahnung, warum sie einen so freundlichen und harmlosen alten Mann hätte vergiften wollen. Es muss da einen Grund geben, hinter den wir noch nicht gekommen sind.«
    In Voiseys Augen lag Panik; sein Atem ging schwer. Er rang sichtlich um Fassung.
    »Man darf annehmen«, fuhr Pitt fort, »dass jemand, der ihr vertraute, sich ihrer Mithilfe bedient hat, um Wray auf eine Weise aus dem Weg zu räumen, die nach Selbstmord aussah – ganz gleich, welchen Preis die Frau dafür würde bezahlen müssen!« Er machte eine leicht wegwerfende Handbewegung. »Die Gründe dafür sind unerheblich … sagen wir einfach, es war ein ausgeklügelter persönlicher Racheplan. Das ist eine ebenso gute Erklärung wie jede andere.«
    Voisey öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, schluckte dann und schloss ihn wieder.
    »Wir haben den Bericht des Gerichtsbeamten«, fuhr Pitt fort, »und die von Zeugen bestätigte unterschriebene Aussage
des Hausmädchens. Von beiden Dokumenten werden Fotografien an getrennten und streng geheim gehaltenen Orten hinterlegt, so dass man sie veröffentlichen kann, falls mir, einem meiner Angehörigen oder natürlich Mister Narraway etwas zustoßen sollte.«
    Voisey sah ihn ausdruckslos an. Seine Haut war teigig bleich. »Ich bin sicher …«, stieß er zwischen ausgedörrten Lippen hervor, »ich bin sicher, dass das nicht geschehen wird.«
    »Das ist gut«, sagte Pitt mit Nachdruck. »Sehr gut.« Dann trat er beiseite, damit Voisey unsicheren Schritts und mit aschfahlem Gesicht seinen Weg fortsetzen konnte.

Die Originalausgabe
    Southampton Row erschien 2002 bei Ballantine Books, New York
     
     
     
    Mit Dank an Derrick Graham
für seine Unterstützung bei der Recherche
sowie seine glänzenden Einfälle
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Taschenbucherstausgabe 08/2005
    © Copyright 2002 by Anne Perry
© Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2004
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
     
    Umschlagillustration: Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin
    Umschlaggestaltung: Hauptmann und
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