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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone
Autoren: Anne Perry
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Weise sie sich nutzen lassen. Sofern Voisey an irgendeiner Stelle verwundbar ist und Sie das Glück haben, sie zu finden, werden Sie mich davon sofort in Kenntnis setzen.« Er atmete langsam ein und aus. »Was ich dann in Bezug auf ihn unternehme, geht Sie nichts an. Ich möchte, dass Sie das klar verstehen! Hier geht es nicht darum, dass Sie auf Kosten der einfachen Menschen dieses Landes Ihrem Gewissen folgen. Sie kennen nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtbildes und können in Ihrer Lage keine großartigen moralischen Urteile fällen.« Weder in seinen Augen noch um seinen Mund herum lag der kleinste Hinweis, der die Nachdrücklichkeit seiner Aussage hätte abschwächen können.
    Die leichtfertige Antwort erstarb Pitt auf den Lippen. Was Narraway da von ihm verlangte, schien unmöglich. Hatte der Mann überhaupt eine Vorstellung von der wirklichen Macht des Inneren Kreises? Es war eine Geheimgesellschaft von Männern, die einander geschworen hatten, sich ungeachtet ihrer sonstigen Interessen oder Treuepflichten bedingungslos gegenseitig zu unterstützen. Sie bildeten kleine Zellen, die den Forderungen der Führung gehorchten, so dass jeder immer nur eine Handvoll anderer Mitglieder kannte. Soweit Pitt wusste, war keiner dieser Männer je von den anderen fallen gelassen worden. Fehlverhalten wurde innerhalb des Kreises unverzüglich mit dem Tode bestraft; das war um so einfacher möglich, als niemand wusste, wer dazu gehörte. Es konnte der eigene Vorgesetzte oder ein untergeordneter Angestellter sein, der einem nie weiter aufgefallen war, der Hausarzt, der Zweigstellenleiter der Hausbank oder gar der Gemeindepfarrer. Nur eines war sicher: die eigene Ehefrau war es nicht, denn keine Frau hatte zu diesem Kreis Zutritt oder Kenntnis von dessen Tun.
    »Wir dürfen uns nicht davon beruhigen lassen, dass dieser
Sitz bisher den Liberalen zugefallen ist«, fuhr Narraway fort, »denn das politische Klima neigt gegenwärtig zu Extremen. Die Sozialisten machen zur Zeit nicht nur durch Lautstärke auf sich aufmerksam, sondern kommen in manchen Gebieten durchaus voran.«
    »Sie sagten, dass Voisey für die Tories kandidiert«, sagte Pitt. »Warum?«
    »Weil er damit rechnen darf, dass eine Gegenreaktion die Konservativen an die Macht bringt«, gab Narraway zur Antwort. »Wenn die Sozialisten weit genug gehen und es zu Fehlern kommt, könnten die Tories so lange an die Macht gelangen, dass Voisey Gelegenheit hat, Lordkanzler oder eines Tages sogar Premierminister zu werden.«
    So unbehaglich diese Vorstellung war, so wenig ließ sie sich von der Hand weisen. Wer den Fehler beging, sie als weit hergeholt abzutun, würde Voisey in die Hände spielen.
    »Und die Sitzungsperiode soll in zehn Tagen beendet werden?« , fragte Pitt.
    »So ist es«, bestätigte Narraway. »Sie fangen heute Nachmittag an.« Er holte tief Luft. »Tut mir Leid, Pitt.«
     
    »Wie bitte?«, fragte Charlotte ungläubig. Sie stand unten an der Treppe, als Pitt zur Haustür hereinkam. Auf ihr von der Anstrengung gerötetes Gesicht trat der Ausdruck von Zorn.
    »Ich muss bleiben, weil die Unterhauswahl bevorsteht«, wiederholte er. »Voisey kandidiert.«
    Sie sah ihn verständnislos an. Dann kamen ihr all die Ereignisse um die Verschwörung von Whitechapel in Erinnerung, und sie begriff. »Und was sollst du dagegen unternehmen?«, fragte sie. »Du kannst weder seine Kandidatur verhindern noch dafür sorgen, dass ihn die Leute nicht wählen, wenn ihnen danach zumute ist. Es ist ungeheuerlich, aber wir selbst haben einen Helden aus ihm gemacht, weil es keine andere Möglichkeit gab, seinem Treiben Einhalt zu gebieten. Die Republikaner werden kein Wort mit ihm reden und ihn schon gar nicht wählen. Warum kannst du es nicht ihnen überlassen, dass sie mit ihm fertig werden? Wütend wie sie sind, würden sie ihn bestimmt am liebsten umbringen! Lass sie gewähren,
und erscheine einfach erst auf der Bildfläche, wenn es zu spät ist.«
    Er versuchte zu lächeln. »Bedauerlicherweise kann ich mich nicht darauf verlassen, dass sie gründlich genug vorgehen, um uns damit zu nutzen. Uns stehen nur rund zehn Tage zur Verfügung.«
    »Das ist nicht recht! Du hast drei Wochen Urlaub!« Sie bemühte sich, die Tränen der Enttäuschung herunterzuschlucken, die ihr mit einem Mal in die Augen stiegen. »Was kannst du denn schon ausrichten? Allen Leuten sagen, dass er ein Lügner ist und hinter der Verschwörung zum Sturz der Monarchie stand?« Sie schüttelte den Kopf.
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