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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum
Autoren: Irina Tabunowa
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klimpernd, meine gewickelte Freundin und nuckelte in aller Ruhe an ihrem Schnuller. Still hatte sie sich vom Sessel unterden Schrank gerollt und darauf gewartet, dass ihre Mutter sie findet. Was für eine Partisanin!
    Als ich klein war, hat sich einmal mein Opa auf mich gesetzt. Da war ich zwei Monate alt. Und es ist nichts passiert, ich war gesund und munter.
    Ãœberhaupt hat die Geschichte des Fallens bei meiner Tochter erst angefangen. Und es geht recht spät los, immerhin ist sie schon neun Monate alt!
    Â 
    24. März 2004
Schwer ist es, Gott zu sein
    Â 
    Es ist seltsam, aber die Eltern von kleinen Kindern erfüllen in gewisser Hinsicht die Funktion von Göttern auf Erden. Wir wissen auf alles eine Antwort, an uns wird nicht gezweifelt, sie vertrauen uns ihr Leben an. Anfangs müssen sich die Eltern lange an diese Verantwortung gewöhnen, und wenn sie dann mit ihrer Rolle vertraut sind, werden sie auch schon wieder vom Sockel gestoßen. Wahrscheinlich ist es hart, ein gestürzter Gott zu sein …
    25. März 2004
Persönlichkeiten
    Â 
    Meine kinderlose Freundin hat sich gewundert, warum man bei einem Neugeborenen immer nach Gewicht und Größe fragt.
    Aber was könnte man sonst über das Kind wissen wollen? Selbst die Augenfarbe steht noch nicht fest … Es liegt einfach auf der Babywaage und ist entsetzt, wo es hingeraten ist …
    Anders ist es mit älteren Kleinkindern – sie sindausgeprägte Persönlichkeiten, wahre Schatzkammern voller Verstand und Wahrnehmungskraft, von unfassbarer seelischer Anmut, und erst ihr liebreizendes Äußeres – man ist geradezu geblendet. Nur schlafen wollen sie nicht, man könnte platzen.
    Vera lernt gerade, meine Muttergefühle zu manipulieren. Sie lässt mich keinen Schritt allein tun. Meine Mutter sagt:
    Â»Das ist noch gar nichts, deine Schwester hat mich nicht einmal zur Toilette gelassen, immer stand sie vor der Tür und weinte.«
    Â 
    28. März 2004
Maulkörbe
    Â 
    Wir verhalten uns Kindern gegenüber mehr oder weniger loyal. Aber welche Gedanken kommen Ihnen, wenn sich neben Sie (in der Metro, im Bus, auf die Parkbank) eine Mutter mit ihrem wimmernden Nachwuchs setzt und dieser bitterlich greint oder einfach nur quengelt und ningelt? Mir fällt dazu nichts Erheiterndes ein. Stattdessen muss ich ständig an einen Kindermaulkorb denken. In China, zum Beispiel, ziehen sich beim leisesten Anflug einer Erkältung alle sofort einen Mundschutz über.
    Warum sollte man also nicht analog zum Mundschutz Kindermaulkörbe aus schalldämmendem Material verkaufen? Damit die Leute an öffentlichen Orten nicht von den Launen eines Kindes gestört werden.
    Das fiel mir vorhin in der Metro auf dem Weg zur Arbeit ein.
    30. März 2004
Ein Mädchen als Zeichen des Protests
    Â 
    Eine Psychologin hat mir erzählt, dass sie eine Theorie aufgestellt habe, wonach jene Frauen, die Mädchen zur Welt bringen, unterschwellig kein Vertrauen zu Männern haben. Ich muss mal meine Mutter fragen, warum sie meinem Vater dermaßen misstraut …

Erinnerungen an den neunten
Schwangerschaftsmonat.
Geld
    Vor dem näher rückenden Entbindungstermin brachte ich zwei mehr oder weniger sinnvolle Dinge zustande: Ich zog endlich zu meinen Eltern und ich kaufte ein Buch, in dem alle Stadien der Schwangerschaft beschrieben werden. Der Fötus schwimmt im Wasser der Gebärmutter und probiert den Geschmack. Er trinkt es, genauer gesagt. Aber ich habe noch etwas anderes gelesen. Hin und wieder entleert der Fötus seine Harnblase in diese Flüssigkeit. Also einfacher ausgedrückt, er pinkelt in das Gebärmutterwasser. Das heißt, dass wir alle unseren eigenen Urin getrunken haben, unabhängig davon, ob wir die Eigenharnbehandlung gutheißen oder nicht …
    Â 
    Â»Ira, sei mal ehrlich, habt ihr euch etwa getrennt?«
    Â»Wie kommst du denn darauf, Mama, er muss nur einfach viel arbeiten, für mich ist es bei euch angenehmer, du bist da …«
    Â»Irgendetwas verschweigst du mir. Warum musstdu bei uns wohnen, wenn er viel arbeitet? Es macht uns natürlich nichts aus, aber warum kannst du nicht bei ihm wohnen?«
    Â»Weil er nachts arbeitet. Seine Freunde lassen ihn zu Hause den Scanner bedienen. Das habe ich dir doch erzählt. Er stört mich beim Schlafen. Denn Bett und Scanner stehen ja im selben Zimmer.«
    Â»Arbeitet er etwa nicht mehr als Fotograf?«
    Â»Ihm
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