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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum
Autoren: Irina Tabunowa
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Straße stand, merkte ich, wie Fruchtwasser aus mir lief. Hätte nur noch gefehlt, dass ich im Hauseingang entbunden hätte. Ich hielt ein Taxi an. Während wir fuhren, hatte ich große Angst, die Polster des Autos zu besudeln. Der Fahrer ging mir auf die Nerven – er war äußerst gesprächig, ein richtig mitteilungsbedürftiger Taxifahrer …
    Â»Wohin willst du, nach Hause oder gleich in eine Entbindungsstation?«
    Â»Zuerst zu meinen Eltern, dort an der Ampel abbiegen.«
    Â»Und dein Mann? Ach, so eine Entbindung ist nichts für uns … Hast du Angst?«
    Â»Wovor?«
    Â»Vor der Geburt, wovor denn sonst?«
    Â»Ich habe Angst vor dem, was danach kommt.«
    Â 
    â€¦ Bei einer Ejakulation setzt ein Mann bis zu dreihundert Millionen Spermien frei. Das ist die Bevölkerung eines ganzen Landes! Ganze Volksmassen bestürmen die Frau. Und nur eines kann den Wettbewerb gewinnen. Es darf zur Belohnung mit der riesigen Eizelle der Frau verschmelzen …
    Â 
    Â»Meine Frau will mich loswerden, sie sagt, sie hat keine Lust mehr, für mich aufzukommen. Natürlich ist ihr Gehalt höher als meins, sie verdient das Doppelte!«
    Â»Und was arbeitet sie?«
    Â»Sie ist Philosophiedozentin. Zieh aus, sagt sie zu mir! Ich verstehe das, sie hat viel um die Ohren, zwei Jobs gleichzeitig, den Haushalt, den Gemüsegarten …«
    Â»Ja, sie hat es schwer.«
    Â 
    â€¦ die Eizelle ist die einzige menschliche Zelle, die man mit bloßem Auge erkennen kann. Sie sieht aus wie ein i-Punkt. Das winzige männliche Spermium ist ein Nichts im Vergleich mit ihr …
    Â 
    Â»Sie hat’s nicht leicht, meine Frau, aber was soll’s. Habe ich es etwa leichter? Morgen gehe ich Blut spenden, da drüben, siehst du – ist das die Blutspendestation?«
    Â»Ja, dort bei der Kurve.«
    Â»Ich werde es mir merken.«
    Â»Aber da kriegt man doch kaum was, vierhundert Rubel, das bringt doch nichts! Vor allem kann man nur alle drei Monate hin.«
    Â»Nicht vierhundert, sondern sechshundert, es gab eine Erhöhung. Und man darf nicht nur alle drei, sondern alle zwei Monate. Blut will schließlich niemand spenden, nur Penner und Alkoholiker drücken sich da rum. Die spenden allerdings Plasma.«
    Â 
    â€¦die weibliche Eizelle wird vom Spermium geradezu gerammt und gesprengt. Sie hat eine doppelte Schutzschicht. Dazu noch Nährstoffe im Inneren, vor allem Eiweiß und Fette. Fett – das ist Leben. Das sagt Veras Vater immer …
    Â 
    Â»Plasma?«
    Â»Na das ist, wenn das Blut wie durch eine Art Zentrifuge läuft, der Rahm wird abgeschöpft und das Wasser und die Schlacken werden einem wieder zugeführt. Plasma kann man zweimal im Monat spenden. Auch für sechshundert Rubel.«
    Â»Nicht schlecht, da braucht man ja gar nicht mehr arbeiten zu gehen …«
    Â»Das mache ich für meine Frau, da kann sie ihre philosophischen Bücher kaufen … Allerdings hat es mit dem Plasma nicht geklappt.«
    Â»Wieso das?«
    Â»Ich habe einen Bekannten, der ist Arzt, der hat gesagt, dass das in meinem Alter gefährlich ist. Also kann ich nur Blut spenden. So sieht’s aus. Was man nicht alles für seine geliebte Frau tut!«
    Â»Sie sollten nicht so kleinlich sein, spenden Sie doch Ihre Niere. Dafür bekommen Sie mehr …«
    Â»Was du nicht sagst. So, wir sind da. Lass das Geld stecken, du wirst es noch brauchen …«
    Â 
    â€¦ wobei die Eizelle gar nicht vom stärksten Spermium befruchtet wird, wenn die Eizelle frei von sexueller Ausstrahlung ist. Oft kann eine Masse von Spermien bis zur Bauchhöhle fließen, und nur ein übrig gebliebenes Spermium, irgend so ein Loser, dringt dann zur Eizelle vor …
    Man muss sich das mal vorstellen, dass in der Evolution nicht der Klügste oder Stärkste herrscht, sondern derjenige, der zufällig vorbeigekommen ist …
    Â 
    6. April 2004
Supermenschen
    Â 
    Die Progressivsten auf der Welt sind die Kleinkinder. Für sie gibt es, bis auf die bescheuerten Farben, nicht die blödsinnige Geschlechtertrennung in der Kleidung – alle tragen Unisex-Strampler. Früher gab es das auch schon mal, lange bevor die Frau verkündet hat, dass sie nicht länger mit nacktem Hintern durch den Frost laufen wolle, also jeden Tag Röcke tragen.
    Röcke zu tragen im winterlichen, herbstlichen, regnerisch-sommerlichen Moskau ist krass, wenn man
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