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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial
Autoren: Benedict Wells
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damit aus
dem Casino taumeln, aber er war wie an den Tisch gefesselt, überlegte erst, nur
einen Teil des Geldes zu setzen, um nicht alles zu verlieren, doch das würde zu
lange dauern, das ging nicht mehr, er musste einfach weiterspielen, das Fieber
hatte ihn endgültig gepackt. Ich weiß,
dass ich's schaffe, dachte
er, jetzt oder nie, jetzt oder nie,
jetzt oder nie!
     
    Als der Croupier die Einsätze freigab, nahm er alle
Chips und schob sie als Erster auf das Tableau. Wieder auf das rote Feld. Er
hörte die anderen raunen.
    „Willst du nicht lieber aufhören?“, fragte der
Politiker.
    Francis schüttelte den Kopf.
    „Heute schreibst du Geschichte, ja?“, rief der
bärtige Scheich.
    „Ich Versuchs.“
    „Diesmal machst du aber einen Fehler. Ich bin mir sicher,
dass jetzt Schwarz kommt.“ Er nahm Chips für dreihunderttausend und setzte sie
auf Schwarz. Andere glaubten dagegen tatsächlich, dass Francis wieder gewinnen
würde, oder es war ihnen egal, jedenfalls setzten sie auf Rot. Der junge
Scheich mit den Kopfhörern zog sich zurück, er legte sich auf eines der Sofas
und las Zeitung.
    Auch die Dame links von Francis ließ diese Runde
aus. „Wo kommst du her?“, fragte sie.
    „Aus Claymont. Aus dem Trailerpark.“
    Francis wusste nicht, wieso er das den Leuten hier
sagte, vermutlich, um sie zu schockieren. Die ältere Dame zog die Augenbrauen
hoch. Er betrachtete die goldene Kette an ihrem Hals. Da man hier rauchen
durfte, fragte er, ob sie eine Zigarette für ihn hätte. Sie holte ein
buntverziertes Döschen hervor, bot ihm eine an und gab ihm Feuer. Francis tat
einen tiefen Zug und versuchte die Nervosität zu überrauchen.
    „Ein Trailerparkboy kämpft ums große Geld“, sagte
der Mann im Sweatshirt, er hatte einen starken schottischen Akzent. „Das ist ja
wie im Film.“
    „Allerdings eine Tragödie“, sagte der ältere
Scheich, „wenn er jetzt verliert. Denn ich weiß, dass Schwarz kommt.“
    Der Croupier warf die Kugel in den Kessel. Francis
atmete mehrmals tief ein, tief aus, tief ein, tief aus, senkte den Kopf, dachte
an die Farbe Rot, die er sich so sehnlich wünschte wie nichts zuvor. Er konnte
es kaum mit ansehen, rutschte auf seinem Stuhl herum, rauchte und knetete mit
den Fingern seine Unterlippe. Auf einmal bekam er ein ganz schlechtes Gefühl,
beobachtete den Scheich, der sich so sicher war, dass er gewinnen würde.
    Wieso war er so sicher, dass jetzt Schwarz kam?
    In Francis' Kopf hämmerte es, er fuhr sich über die
Schläfen. Das wird nichts, dachte er, das wird nichts.
    Die Kugel fiel auf die Dreiundzwanzig.
    Rot.
    Gewonnen! Gewonnen! Gewonnen!
    Francis kam erst wieder zu sich, als er längst
aufgesprungen und einmal quer durch den Raum gerannt war. Er hörte, wie alle
lachten, selbst der junge Scheich mit den Kopfhörern auf dem Sofa. Er sprang
noch mal in die Luft und ballte die Faust. Er hatte nun fast
fünfhunderttausend. Eine Fünf mit fünf Nullen, unfassbar. Seine Augen füllten
sich vor Aufregung mit Tränen, er konnte es einfach nicht glauben.
    Der ältere Scheich lächelte. „Ich hätte auf dich
hören sollen!“
    Francis kehrte wieder zum Tisch zurück. „Wenn du
jetzt aufhörst, bist du kein Trailerparkboy mehr“, sagte der Politiker. „Ich
würde nicht mehr weiterspielen.“
    Francis war bewusst, dass er mit dem Geld die
nächsten zwanzig Jahre gut über die Runden kommen würde. Und auch seiner Mutter
konnte er helfen. Aber noch immer würde er Anne-May und seinen Sohn verlieren.
Denn für das, was er vorhatte, reichte das Geld noch nicht. Auf der anderen
Seite waren das fünfhunderttausend. Er betrachtete den Haufen Spielchips vor
seiner Nase. Was tun?
    Er brauchte eine Pause, um in Ruhe nachzudenken.
Zwei Runden lang machte er keine Einsätze. Was für eine Erleichterung, dem
Spiel nur zuzusehen und nicht selbst beteiligt zu sein. Einmal kam die grüne
Null, alle einfachen Einsätze wurden gesperrt. Das wäre in jedem Fall kritisch
geworden. Das andere Mal kam die schwarze Elf.
    Francis ging ein paar Schritte auf und ab. Niemand
wusste, was er hier tat. Ein weiterer Verrückter, der bereit war, alles zu
setzen und zu verlieren, um eine Frau zurückzubekommen, die vielleicht gar
nicht mehr zurückkehren wollte.
    Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu fällen.
Wenn er weiterspielte, würde er hier in gut einer Minute entweder als Millionär
rausgehen oder als der größte Idiot in der Geschichte von Las Vegas. Mit beidem
konnte er sich identifizieren. Und er
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