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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial
Autoren: Benedict Wells
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des White Trash war und er, Francis, dessen Ausgeburt. Nur an einem
so kranken Ort wie diesem bekam ein Versager ohne Perspektive wie er die
Chance, das zu tun, was er mit harter Arbeit, Fleiß und Aufrichtigkeit niemals
schaffen würde: die Chance, sein Leben zu ändern.
    Nur in Vegas schien alles möglich, nur hier waren
alle gleich. Die beiden Scheichs in ihren weißen Gewändern. Der dunkelhäutige,
ihm gut bekannte Rapper im Anzug. Der Politiker, den er mal im Fernsehen
gesehen hatte. Sowie die schon etwas ältere, elegante Dame in dem dunklen
Kostüm, der bebrillte Mann im Cordjackett und der blonde Typ im
Tommy-Hilfiger-Sweatshirt, deren Gesichter ihm nichts sagten. Sie alle konnten
unterschiedlicher nicht sein, aber hier, im Angesicht dieser sechsunddreißig
Zahlen und der Null, waren sie letztlich alle gleich.
    Einige sahen interessiert auf, als er den Raum
betrat. Francis setzte sich an einen freien Platz und breitete seine Chips im
Wert von hundertzwanzigtausend auf der grünen Filzfläche aus. Hier oben gab es
nur einen Croupier, es war ein grauhaariger Mann im Dreiteiler. Er sah Francis
fragend an. Der farbige Mitarbeiter, der ihn an den Platz gebracht hatte,
meinte, das gehe schon in Ordnung, er habe das Geld unten im Casino gewonnen.
    „Er hat kein Jackett“, sagte der Croupier.
    Francis wollte antworten, dass die beiden Scheichs
und der Typ im Sweatshirt ja auch kein Jackett trugen, verkniff sich diese
Bemerkung jedoch.
    „Er kann meins haben“, sagte der farbige Angestellte
und zog die rote Uniformjacke mit den Goldknöpfen aus.
    Francis schlüpfte hinein. Da er ein breites Kreuz
hatte und größer war, war ihm das Jackett etwas zu eng. „Vielen Dank, danke!“
    Zum ersten Mal grinste der Angestellte. „Schon okay.
Sagen wir, ein Prozent vom Gewinn?“
    „Abgemacht.“
    Der Mitarbeiter klopfte ihm auf die Schulter. „Viel
Glück!“ Dann verließ er den Raum.
    Francis sah sich um. Erst jetzt wurde ihm bewusst,
mit welch irrsinnigen Summen die anderen spielten. Der eine Scheich, der um die
fünfzig und bärtig war, hatte Chips im Wert von vielleicht vier Millionen vor
sich liegen. Der andere Scheich - er war deutlich jünger und trug keinen Bart,
dafür hatte er riesige Kopfhörer auf - ebenfalls, die restlichen Spieler wohl
auch nicht weniger. Alles in diesem Raum war luxuriös, die Wände waren mit edlem
Holz vertäfelt, auf dem schwarzen Marmorboden lagen Orientteppiche, in der
Ecke standen beige Ledersofas und ein Büfett mit Häppchen und Getränken. Durch
die von außen verdunkelte Panoramascheibe hatte Francis einen phantastischen
Blick über das ganze Casino und konnte die Menschenmassen beobachten, die
zwischen den Spieltischen und Automaten umherwanderten. Hier oben spielten
Leute, die über allem standen. Die meisten waren vermutlich mit dem Privatjet
eingeflogen und diskret in diesen Raum gebracht worden, damit die Presse nicht
erfuhr, dass sie hier gewesen waren.
    An diesem Spieltisch lief alles etwas langsamer ab.
Der Croupier ließ den Leuten mehr Zeit, ihre Einsätze zu machen. Francis nahm
seine hundertzwanzigtausend, schloss einen Moment die Augen und setzte sie
einfach auf Rot. Ohne groß nachzudenken. Die anderen sahen ihn an, als wäre er
komplett wahnsinnig. Der ältere Scheich lachte. „Du hast das unten gerade erst
gewonnen?“
    „Ja.“
    „Du hast Mut, Junge!“
    Er setzte zweihunderttausend, ebenfalls auf Rot. Die
Dame im dunklen Kostüm setzte demonstrativ hunderttausend auf Schwarz, die
anderen auf alle möglichen Kombinationen und einzelne Zahlen. Der Croupier
fragte, ob alle ihre Einsätze gemacht hätten. Als sie nickten, warf er die
kleine Kugel gegen die Drehrichtung in den Kessel. Sie sauste sekundenlang im
Kreis umher.
    „Rien ne va
plus!“
    Francis krallte sich am Tisch fest. Die Kugel wurde
langsamer und fiel schließlich auf die Sieben. Seine Muskeln entspannten sich.
Rot.
    Er spürte, wie er grinsen musste. Der Politiker
neben ihm schlug ihm tatsächlich auf die Schulter, er hatte ebenfalls
gewonnen. Auch der bärtige Scheich nickte ihm zu. Francis hatte nun gut
zweihundertvierzigtausend, seine Gedanken überschlugen sich: Er konnte das Geld
nehmen und nach Hause gehen, es würde reichen, um die nächsten Jahre sorglos zu
leben, aber es würde nicht reichen, um sein Leben zu ändern und Anne-May und
seinen Sohn zurückzugewinnen, er musste bleiben, er konnte einfach nicht aufhören,
wie schon beim letzten Mal nicht, er wollte ja das Geld nehmen und
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