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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld
Autoren: Gisa Klönne
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Kirche wieder zu sich kam: benommen, gefesselt, ausgeliefert. Er hat nicht alles in der Hand. Es kann wieder passieren.
    »Ich hab den Test noch nicht gemacht, falls dich das interessiert.« Sonja. Er hat sie gar nicht gehört.
    »Du kommst spät.«
    Sie tritt neben ihn, streicht ihm durchs Haar und er legt die Arme um sie, zieht sie an sich, presst sein Gesicht an ihren flachen Bauch und atmet ihren Duft. Lange. Sehr lange. Erst als sie unruhig wird, gibt er sie frei.
    »Was ist passiert?« Sie schenkt sich ein Glas Wasser ein, setzt sich ihm gegenüber, zündet eine Kerze an.
    Er starrt in die Flamme, wie sie zittert und größer wird.
    »Was ist passiert?«, fragt Sonja wieder. Leiser jetzt, nach einer langen Pause.
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann. Vater sein.« Seine Stimme ist rau.
    Sie zieht die Knie hoch, legt die Arme darum, ohne den Blick von ihm zu wenden. »Ich weiß das auch nicht. Ich weiß ja nicht mal selbst, ob ich dieses Kind überhaupt will. Falls ich denn wirklich schwanger bin. Ich hab doch angefangen zu studieren. Ich wollte doch noch mal was anderes in meinem Leben machen als das Massagestudio.«
    »Mein Vater hat uns geschlagen«, sagt er. »Meine Mutter vor allem. Aber mich auch.« Auf einmal könnte er losflennen. Einfach so. Er trinkt sein Glas leer, stellt es auf den Tisch. Hart.
    »Deshalb bin ich neulich abgehauen.«
    »Du hast Angst, dass du das auch tun wirst: dein Kind schlagen, deine Frau. Ist es das?«
    »Die Statistik spricht dafür. Gewalt, die sich weitervererbt. Söhne von Schlägern werden selber Schläger. Töchter von Schlägern werden später selbst geschlagen.«
    Sonja nickt, sieht ihn weiterhin an. Aufmerksam. Ruhig. »Immer?«
    »Nicht immer. Aber zu oft.«
    Er muss los, ihr den Schlüssel zurückgeben, sich verabschieden. Aus und vorbei, Baby, hasta la vista. Such dir einen Typ, der nicht so kaputt ist. Aber sein Körper gehorcht ihm nicht und wie durch einen Schleier nimmt er wahr, dass Sonja aufsteht und seine Hand ergreift.
    »Komm, Fredo«, sagt sie sehr sanft. »Du siehst wahnsinnig müde aus. Komm jetzt ins Bett.«
Samstag, 4. März
    Judiths Schritte hallen auf dem blank gebohnerten Krankenhausflur, es riecht nach Desinfektionsmitteln, Mittagessen, Krankheit. Ihr Handgelenk puckert. Fünf Minuten haben ihr die Ärzte für ein erstes Gespräch mit Hartmut Warnholz genehmigt. Sie lässt sich eine Vase geben, stellt die Tulpen hinein, klopft an seine Tür.
    »Judith.«
    Der Seelsorger ist zu schwach, sich aufzurichten und seine Stimme ist heiser. Hätten die Kugeln seine Brust nur zwei Zentimeter höher getroffen, wäre er tot.
    Judith zieht sich einen Stuhl ans Bett. Viele der Fragen hat sie inzwischen geklärt, einige sind geblieben. Sie sieht Hartmut Warnholz an, wartet. Er nickt, als habe er genau mit diesem Schweigen gerechnet und sehe ein, dass es nun an ihm ist, es zu brechen.
    »Georg hat mir nie den Namen seines erstgeborenen Kindes verraten und nichts über dessen Mutter. Ich wusste lediglich, dass sie wie Georg aus der Eifel stammt.«
    »Und dann hat Fabian Bender Sie angerufen.«
    »Er sagte, er sei nach dem Tod seines Vaters verzweifelt und bat mich um Unterstützung.«
    »Er hat Sie angelogen«, sagt Judith. »Fabian hat geglaubt, Georg Röttgen hätte Ihnen seinen Namen verraten und es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis Sie zur Polizei gehen würden. Sie hatten einmal in der Telefonseelsorge mit Ruth Sollner darüber gestritten, was man der Polizei sagen sollte und was nicht. Beatrice hatte sie belauscht und Fabian davon erzählt.«
    »Ich wusste nicht, dass Fabian Georgs Mörder war«, sagt Hartmut Warnholz.
    »Aber Sie haben es geahnt, als er vorschlug, Sie nachts bei Sankt Pantaleon zu treffen.«
    »Seine Verzweiflung war echt.«
    Verzweiflung, ja. Erst tötet der verstoßene Sohn durch eine tragische Verwechslung einen Unschuldigen. Dann, kaum hat er den verhassten Vater auch noch umgebracht, muss er fürchten, von seiner engsten Vertrauten oder einem weiteren Priester verraten zu werden. Judith starrt auf die Geräte neben Hartmut Warnholz' Bett. Die erste Vernehmung mit Fabian Bender hat gerade einmal eine halbe Stunde gedauert. Mehr schaffte er nicht. Mehr hätte sie selbst wohl auch nicht geschafft. Mitleid mit einem Mörder. Mitleid mit einem Vergewaltiger. Es ist irritierend. Sie weiß noch nicht, wie sie damit umgehen soll.
    »Ich fand, ich war diesem ungeliebten Sohn auch in Georgs Namen Beistand schuldig«, sagt Hartmut Warnholz
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