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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld
Autoren: Gisa Klönne
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gleich ein besonderer Tag beginnt: Der 22. Februar, Janas achtzehnter Geburtstag. Bat hat ihrer Freundin geschworen, dass sie eine Party feiern werden, und sie hat vor, dieses Versprechen zu halten.
    Zuerst muss sie aufräumen, wie immer. Die Krokusse und Schneeglöckchen sind verblüht und diese spießigen Usambaraveilchen haben hier nichts zu suchen. Bat wirft sie auf den Kompost und holt eine Bodenvase mit frischem Wasser. 18 Grablichter hat sie für Jana gekauft. Sie arrangiert sie in Herzform, drückt die Vase in die Mitte, löst die dunkelroten Rosen von ihrem Rucksack und steckt sie hinein. Janas Engel thront über ihr, im rötlichen Licht der Kerzen erwachen seine Marmorgesichtszüge zum Leben.Zuerst hätte Bat ihn am liebsten weggesprengt. Unerträglich fand sie die sanfte, mädchenhafte Anmut, das Unschuldsweiß, die stille Traurigkeit. So war Jana nicht, hätte sie Janas Eltern am liebsten angeschrien, das könnt ihr nicht machen! Doch andererseits ist es auch nicht möglich, den Engel zu hassen, dazu sieht er Jana viel zu ähnlich. Also hat sie sich mit seiner Anwesenheit arrangiert.
    Bat holt Janas Lederkappe aus dem Rucksack und drückt sie dem Engel aufs Haupt. Vor zwei Wochen hat sie ihm ein Tattoo auf die Rückseite seines rechten Flügels gesprüht, zwei Sterne und eine Fledermaus, sie sind noch da, bislang hat keiner was bemerkt. Ein Nietenhalsband, mehrere Ketten und ein Umhang aus schwarzem Satin und blutrotem Tüll vervollständigen das Partyoutfit des steinernen Gastes. Exakt pünktlich zur Mitternacht ist er fertig ausstaffiert. Weit entfernt sind nun die Trommeln von den Karnevalsfeiern zu hören.
    Bat lässt sich auf ihre Isomatte fallen und öffnet zwei Breezer.
    »Prost, Jana, let's roll, auf dich!«
    Sie leert eine Flasche in schnellen Zügen, schüttet den Inhalt der anderen auf Janas Grab. Noch eine Flasche, nicht mehr ganz so schnell. Und eine Zigarette. Und Musik. Normalerweise reicht Bat ihr MP3-Player, stundenlang liegt sie oft so da, einen Kopfhörer im Ohr, den anderen auf Janas Grab und schaut in den Himmel. Was natürlich albern ist und trotzdem tröstlich und wer weiß schon wirklich, was die Toten mitkriegen? Heute Nacht aber genügt der MP3-Player nicht, heute wird sie tanzen, für Jana, mit Jana, auch wenn ihr beim Anblick des Grabsteins überhaupt nicht danach zumute ist.
    Sie beginnt soft, mit der Band Love Is Colder Than Death. Sphärisch und unheimlich klingt die hier auf dem Friedhof, ganz anders als in einem geschlossenen Raum. Der tragbare CD-Player von ihrer Mutter hat ordentlich Power, sie sollte ihn öfter mal ausleihen. Noch ein Breezer und noch einer für Jana, die beste Freundin, die es je gab. Sie wollten zusammen abhauen, wenn sie endlich 18 würden. Die Schule schmeißen, sich eine Wohnung nehmen, die sie zunächst mit irgendwelchen blöden Jobs finanzieren wollten und später mit dem Geld, das Jana als Sängerin verdienen würde und Bat als ihre Managerin, wenn sie die passende Band für Jana gefunden hätten. Sie hatten sich geschworen, sich nie zu verraten.
    Noch ein Breezer. Und jetzt Sisters of Mercy, First and Last and Always. Alt zwar, aber dennoch für immer eines der besten Alben. Endlos haben sie das zusammen gehört und darüber philosophiert, dass es mehr geben muss als dieses öde Einerlei aus Schule und Angepasstsein und ›Denkt doch an später‹, das die Erwachsenen tagtäglich runterbeten, obwohl doch sonnenklar ist, dass die Welt vor die Hunde geht. Black Planet, singt der Mercy-Sänger. Bury me Deep, und auch wenn Bat jetzt die Tränen übers Gesicht laufen und bestimmt ihre ganze Schminke verschmieren, mit der sie sich so viel Mühe gegeben hat, hält sie ihr Versprechen und beginnt zu tanzen. Sie rammt die Absätze ihrer Doc-Martens-Stiefel in den Kies, dreht sich, springt, heult, grölt die Texte mit. Sie raucht dabei, trinkt schnelle Schlucke Bacardi und prostet dem Engel zu.
    Sie haben behauptet, dass Jana vor den Zug gesprungen ist. Sie haben behauptet, dass Bat und die anderen aus dem Club daran schuld seien, dass sie Jana verrückt gemacht hätten. Gruftis seien sie, fehlgeleitete Jugendliche, die den Tod verklärten. Es war total sinnlos, ihnen zu widersprechen. Außerdem fehlte Bat dazu die Kraft. Jana hat sich umgebracht. Es war wie ein Schlag, der alles andere auslöschte. Wenn sie dran denkt, sieht sie vor allem die zitternde Unterlippe ihrer Mutter vor sich. Ihre Mutter hatte noch mehr gesagt, drängte sich in Bats Zimmer,
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