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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld
Autoren: Gisa Klönne
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Warnholz ist drinnen. Seite an Seite laufen sie auf den Eingang zu.
    War da ein Geräusch oder sind das nur ihre Schritte? Manni wirbelt herum. Nichts. Niemand. Die Fenster der Kirche sind dunkel.
    »Und jetzt?«, flüstert er.
    Die Krieger antwortet nicht. Er berührt ihre Schulter und merkt, dass sie zittert.
    »Was ist?«
    Ein Schrei stoppt ihn, ein Schrei aus der Kirche.
    Shit. Shit, shit, shit.
    »Ruf Verstärkung!«
    Er reißt seine Walther aus dem Holster, drückt die Kirchentür auf, schiebt sich durch den Windfang. Alles ist dunkel, alles ist still, so still, dass er seinen Atem hört. Seinen oder Judiths, folgt sie ihm überhaupt, ruft sie die Kollegen? Er weiß es nicht, versucht in der Dunkelheit etwas zu sehen.
    »Kriminalpolizei. Herr Warnholz?« Seine Stimme hallt von den Wänden wider. »Wir wissen, dass Sie hier sind. Sagen Sie uns, wo.«
    Nichts. Keine Antwort. Irgendwo draußen hupt ein Auto. Manni tastet sich weiter vor. Seine Augen beginnen sich an das Dunkel zu gewöhnen. Nach und nach kann er die Konturen von Säulen und Kanzel erkennen. Über dem Altar flackert das ewige Licht wie ein rotes Auge.
    Links gucken. Rechts gucken. Sichern. Weiter. Wo ist Judith Krieger? Nicht mehr hinter ihm. Ist das gut oder schlecht? Sichern. Weiter.
    »Herr Warnholz? Antworten Sie!«
    Da liegt jemand, reglos, unter der Empore mit dem mordenden Erzengel Michael.
    Sie brauchen Verstärkung. Sofort. Wo ist sein verdammtes Handy, was macht die Krieger …
    Der Schmerz kommt sehr plötzlich, wie eine Welle. Reißt ihm alles weg: den Boden, die Waffe, das Handy, jeden klaren Gedanken.
    Manni fällt. Der Schmerz explodiert. Heute sterbe ich. Jemand stöhnt. Er weiß nicht, wer.
    ***
    Sie muss wieder raus, auf die Kollegen warten, nein, sie muss weiter rein. Sie muss Manni helfen, den Täter stellen. Sie muss, sie muss. Judiths Herz rast. Schweiß strömt ihr übers Gesicht, obwohl sie friert. Durch ihre Jeans kann sie die Kälte des Steinbodens unter ihren Knien spüren. Sie glaubt Stöhnen zu hören, Schritte, Schlurfen, Klirren. Aber vielleicht bildet sie sich das nur ein, genauso wie den Benzingeruch, den Lufthauch, den Schmerz aus dem Haus, der einmal mehr in ihrem Handgelenk tobt. Nein, Judith, nein, das Haus ist Erinnerung. Bleib hier in der Kirche. Bleib in der Gegenwart. Du musst jetzt handeln, dich bewegen. JETZT. Komm schon. Los!
    Einatmen. Ausatmen. Ein. Aus. Die Panik lauerte schon, als sie Sankt Pantaleon noch gar nicht betreten hatte. Erwartete sie im Kirchenpark, wie all die Male zuvor. Trotzdem ist Judith weitergegangen, wir sind ja zu zweit, hat sie gedacht. Aber kaum waren sie in die Kirche gestürmt, hat sie Manni im Stich gelassen, denn die Panik zwang sie in die Knie, überwältigte sie, lähmte sie.
    Stöhnen. Schaben. Klirren. Ein dumpfer Schlag. Irgendwo links, ein paar Meter von ihr entfernt. Vielleicht hat der Täter gar nicht gemerkt, dass sie hier kauert, vielleicht hat sie eine Chance. Ist Hartmut Warnholz Täter oder Opfer? Wo ist Manni, was ist passiert? Denk nach, Judith, denk nach. Jemand hat geschrien, wenn Hartmut Warnholz sich nicht selbst verletzte, war er das und das heißt, dass sich außer ihm, Manni und dir selbst noch mindestens eine weitere Person in der Kirche befindet. Er. Der Täter. Fabian Bender. Oder nicht?
    Zeit vergeht, kostbare Zeit. Sie darf unter keinen Umständen zulassen, dass Manni stirbt. Oder ist er schon tot? Als wolle er ihre stumme Frage beantworten, beginnt sein Handy zu fiedeln. Leise zuerst, dann zunehmend lauter. Gut. Vielleicht lenkt das den Täter ab. Judith duckt sich tiefer, kriecht auf allen vieren auf die Kirchenbänke zu, die vor ihr aufragen wie schwarze Schemen.
    »He!« Eine Lampe flammt auf, das Licht jagt auf sie zu, blendet sie.
    »Aufstehen! Mit erhobenen Händen. Sonst ist dein Kollege tot!«
    Das Licht flirrt über den Boden, irrlichtert, stoppt, erfasst Judith erneut. Schritte erklingen. Ein misstönendes Knirschen erstickt das Handygefiepe.
    Ihre Waffe, wenn sie sehr schnell ist, direkt auf den Lichtkegel zielt, kann sie ihn treffen. Aber das würde heißen, dass sie ihn vielleicht tötet und …
    Ein Schuss peitscht, dicht an ihr vorbei. Der Knall ist ohrenbetäubend. Stoppt jede Überlegung.
    »Leg deine Waffe auf den Boden. Schön langsam. Und dein Handy auch. Los.«
    »Ja. Okay.« Er hat Manni in seiner Gewalt, er hat Mannis Waffe und jetzt gleich auch meine. Judith blinzelt. Auf einmal ist sie geradezu unheimlich ruhig. Hinter dem
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