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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
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bisschen Sängerin gewesen, mit einem einzigen großen Hit, den selbst heute noch jedes Kind nachträllern konnte, und hatte sich als Schauspielerin, Schriftstellerin, die es auf ein gutes halbes Dutzend Autobiografien, Diätbücher und Lebensratgeber brachte, und Bardame versucht. Letzteres allerdings nicht zeitgleich mit dem Rest. Sie war immerhin beinahe ein Weltstar, an den sich heute leider nur noch wenige erinnerten. Nur ab und zu tauchte sie noch in der Klatschpresse auf, meist wegen eines neuen wesentlich jüngeren Mannes an ihrer Seite.
    »Das ist lange her.« Geräuschlos hatte sie den Raum betreten. »Ich lebe jetzt und hier, die Vergangenheit ist nichts anderes mehr als Dekoration auf einer Mahagonitruhe.« Sie kicherte, als hätte sie soeben jemandem einen besonders lustigen Streich gespielt. »Kommen Sie.«
    In den Händen hielt sie ein Tablett mit Gläsern und einer kunstvoll geformten Flasche eitergelben Inhalts. Also doch kein Yogitee. Das Exmodel, das mehr Ex war als Model, begann, mir allmählich sympathisch zu werden.
    Sie wies mit dem Kinn zu einem Haufen Kissen, ich blickte mich um und klemmte mir dann beherzt einen bestickten, dunkelblauen Lederhocker zwischen die Beine, der sofort auf der einen Seite nachgab, sodass ich schräg auf ihm saß. Ich platzierte meine Füße breit auseinander und war stolz, dass ich noch nicht am Boden lag. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich elegant im Schneidersitz auf einem der Teppiche niederließ.
    »Eierlikör?«
    Ich sah keine Alternative und sie nicht danach aus, als ob sie sich demnächst wieder erheben wollte. Also nickte ich.
    »Weshalb haben Sie mich angerufen?«
    Ohne auf meine Frage einzugehen, schenkte sie die beiden Gläschen voll und streckte mir dann eines davon entgegen.
    »Zum Wohl, Herr Kummer, auf eine gute Zusammenarbeit!«
    Ihr Kopf kippte nach hinten und gab den Blick frei auf einen faltigen Schildkrötenhals, in den die Goldketten Jahresringe gestanzt hatten. Sie leerte das Glas in einem Zug und schenkte sich gleich wieder nach. Vorsichtig nippte ich an dem Likör, versuchte, das Gesicht nicht zu verziehen, und tat es ihr gleich. Auch bei mir war das Glas sofort wieder voll. Gebannt verfolgte ich, wie sie das zweite Glas in ihren Schlund schüttete, und als die empörten Ketten um ihren Hals aufgehört hatten zu rasseln, wiederholte ich meine Frage.
    »Marie Antoinette!«, erwiderte sie, als sei damit alles geklärt.
    »Ach so!«
    »Musik?« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang sie auf, behände wie ein junges Zicklein, ihre Bewegungen schienen die Gravität außer Kraft zu setzen. Der Saum ihres Kleides strich wie ein Lufthauch über meine Schulter, als sie an mir vorbeischoss. Sie nestelte in einer Ecke des Raumes herum, eine CD-Hülle wurde auf- und zugeklappt, worauf wildes Tablagetrommel erklang, ein Sitar stimmte mit ein und ließ den Raum vibrieren, und schließlich setzte eine unnatürlich hohe Frauenstimme dazu an, an der Grenze zur Hysterie etwas zu beklagen. Nahm ich mal an. Oder vielleicht freute sie sich auch. Man weiß das bei Inderinnen nie so genau.
    »Ich mag große orientalische Männer«, gurrte Babsi in einer plötzlich viel tieferen Stimmlage. Ich wandte mich zu ihr um und schluckte leer.
    »Marie Antoinette?«, versuchte ich, den hauchdünnen Faden wieder aufzunehmen. Babsi hatte sich nicht wieder gesetzt, sie wiegte sich mit geschlossenen Augen im Takt der Musik und schien mich komplett vergessen zu haben.
    »Frau Georget. Babsi. Ich werde Ihnen diese Zeit berechnen.«
    Sie schlug die Augen auf und bedachte mich mit einem mitleidigen Blick. »So korrumpiert hat Sie die westliche Welt bereits. Also wirklich, Sie sollten sich was schämen. Atman, Karma, Samsara. Bedeutet Ihnen das alles nichts mehr?«
    Wieder so eine, die glaubte, mit dem Runterbeten einiger Begriffe in Sanskrit sei das Gröbste erledigt und ewiges Seelenheil garantiert. Ich seufzte verhalten, und sie warf mir einen strafenden Blick zu. »Es gibt Wichtigeres als Geld und Profit, Ihre Ahnen haben das noch gewusst.«
    Ich wollte gerade erwidern, dass sie das bitte schön meinem Vermieter und dem Steueramt mitteilen solle, doch sie hatte die Augen bereits wieder geschlossen und summte die wilden Melodiebögen mit.
    »Marie Antoinette!«, versuchte ich es erneut. Langsam war ich genervt.
    »Ist meine Perserkatze. Sie ist verschwunden. Und Sie sollen sie wiederfinden.« Sie starrte mich herausfordernd an. Ebenso gut hätte sie mich
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