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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
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konnte mich nicht entscheiden, ob mich der dick aufgetragene Kajal um ihre Augen an Alice Cooper erinnerte oder an eine überarbeitete Nachtschwester.
    Sie war knapp über zwanzig, aber für dieses Alter konnte sie schon ziemlich sarkastisch gucken. »Privatdetektiv, hm?«
    Ihr Blick wanderte vom Türschild zu mir und zurück. Ich hatte vor, etwas ziemlich Schnippisches zu antworten, doch erstens fiel meinem alkoholvernebelten Gehirn gerade nichts ein und zweitens traute ich mich nicht. Was nicht unerheblich mit den fünfunddreißig Kilo reiner Muskelmasse zusammenhing, welche die Kleine begleiteten und mich gerade sehr misstrauisch fixierten. Dazu knurrten sie bedrohlich. Leise zwar, dafür aber konstant.
    »Ruhig, Pluto«, raunte sie dem – natürlich − schwarzen Pitbull zu, worauf der verstummte, ohne mich jedoch aus den Augen zu lassen oder seine angespannte Haltung aufzugeben. Vorsichtig bewegte ich mich rückwärts in mein Büro zurück und deutete ihr mit einer wenig gastfreundlichen Geste an, mir zu folgen.
    »Du bist doch Privatdetektiv, oder?«
    Offenbar machte ich nicht gerade einen zuverlässigen Eindruck auf sie.
    »Mit Leib und Seele.«
    Sie musterte mich spöttisch und ging dann mit staksigen Schritten auf den für die Klientel reservierten Sessel zu. Ich verzog mich hinter den Schreibtisch und versuchte, möglichst viel Abstand zwischen mich und den Hund zu bringen. Rasselnd setzte sich die Schwarze Witwe, Pluto dagegen blieb witternd stehen und musterte mit seinen blutunterlaufenen Schweinsäuglein aufmerksam mein Büro. Als er mit seiner Betrachtung bei der Truhe angelangt war, klappte sein Mund auf, eine fleischige, rosafarbene Zunge schoss triefend hervor und zwei Reihen messerscharfer Zähne blinkten gänzlich undiplomatisch im Licht der Schreibtischlampe. Das drohende Knurren setzte wieder ein, und er begann, an seiner Leine zu zerren. Ich fragte mich plötzlich, wie widerstandsfähig Leder eigentlich war.
    »Pluto! Platz!«
    Das musste ich der Schwarzen Witwe lassen: Ihren Köter hatte sie im Griff. Pluto setzte sich, widerwillig zwar, jedoch ohne die Truhe aus den Augen zu lassen.
    »Nun, wozu braucht jemand wie du jemanden wie mich?«
    Sie duzte mich, also duzte ich sie auch, entgegen der Weisung, die man uns im Fernkurs ans Herz gelegt hatte. Zudem hielten wir wohl beide relativ wenig von antiquierten Höflichkeitsfloskeln. Auf meine Frage hin veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, die demonstrativ zur Schau getragene Ironie versickerte sekundenschnell zwischen all den Piercings. Stattdessen hatte ich plötzlich ein verloren wirkendes Mädchen vor mir, das dringend einen Stil- und Farbberater benötigt hätte. Während sie zögernd an ihrer Unterlippe kaute, schien sie die Worte in ihrem Kopf zu ordnen.
    »Na, komm schon, so wild wird’s nicht sein!« Ich grinste kumpelhaft, worauf sie sich wortlos erhob.
    »Was denn?«
    Sie blieb stehen und drehte sich um. »Du wirst mich nicht ernst nehmen.«
    »Wer sagt denn so was? Ich nehme alle meine Kunden ernst!« Den plötzlichen Gedanken an Babsi verdrängte ich rasch. Das Mädchen ging weiter, hielt aber vor der Tür inne. Pluto, der ihr gefolgt war, wandte sich Hilfe suchend nach mir um.
    »Setz dich wieder und sag mir, worum es geht.«
    Sie rührte sich nicht vom Fleck.
    »Vielleicht kann ich dir helfen.«
    Ihre Schultern zitterten, und sie schniefte geräuschvoll.
    »Ich werde nicht lachen, ich verspreche es!«
    Ein gequetschter Laut entfuhr ihrer Brust, und ich war mir nicht sicher, ob sie heulte oder kicherte. Abrupt drehte sie sich auf dem Absatz um. Pluto sprang erschrocken zurück und hechelte dann sein Frauchen erwartungsvoll an. Dieses war noch ein paar Nuancen bleicher geworden, doch immerhin kämpfte sich ein schwaches Lächeln durch die Tränen. Jetzt sah sie beinahe süß aus.
    »Na, also. Und jetzt zum Geschäftlichen.«
    Sie setzte sich wieder und schlug die dünnen Beinchen übereinander. Pluto stand vor der Truhe und knurrte. Drinnen begann es zu rumoren.
    »Pluto! Platz!«
    Gerade noch rechtzeitig, dachte ich erleichtert.
    »Ich heiße übrigens Ines, doch alle nennen mich Ness«, sagte die Kleine und streckte mir ihre schmale Hand hin.
    »Und was führt dich zu mir, Ness?«
    Wieder zögerte sie, doch dann gab sie sich einen Ruck. »Philipp ist verschwunden.«
    Damit konnte ich nicht viel anfangen, also nickte ich erst mal betroffen. Doch Ness machte nicht den Eindruck, als wollte sie die Tatsache, dass Philipp verschwunden
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