Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
Vom Netzwerk:
war, weiter ausführen. Sie starrte mich an, als wäre ich jetzt dran.
    »Ich brauchte da allerdings schon noch die eine oder andere Information, bevor ich Philipp suchen gehe, das verstehst du doch, oder?«
    Ness’ Miene hellte sich auf. »Er ist vierundzwanzig, etwas größer als ich, hat einen durchtrainierten Körper, ziemlich sportlich, ziemlich sexy.« Sie legte den Kopf schief und überlegte. »Ah, und orangefarbene Haare!«
    Sie strahlte, als hätte sie mir gerade den Schlüssel zur Lösung des Falls überreicht.
    »Hast du ein Foto von ihm?«
    Sie nestelte ein schwarzes Lederportemonnaie hervor, das mit einem Karabiner an einer massiven Silberkette befestigt war, und entnahm ihm eine Viererserie von Passbildern, die offensichtlich in einem Automaten gemacht worden war. Sie zeigte Ness und Philipp, wie sie sich in der engen Kabine aneinanderdrängten, um gemeinsam aufs Foto zu kommen. Sie lachten und hatten sich die Arme um die Schultern gelegt. Ness ganz in Schwarz, Philipp mit karottenrotem Haar und einer grünen Jacke im Militärlook.
    »Dein Freund?«, fragte ich überflüssigerweise, und Ness nickte mit unverhohlenem Besitzerstolz.
    »Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    Mir fiel schon wieder Babsi ein, ihr hatte ich heute dieselbe Frage gestellt. Ich hoffte inständig, dass ich Philipp nicht auch mit einer verfaulten Aubergine von einem Baum holen musste.
    Ness kaute an ihrer Unterlippe, und die Piercings rasselten im Takt dazu. »Äh, am Freitag, oder so. Er sprach von einem Riesendeal und dass es das letzte Mal sei. Dass er danach aufhören wolle.«
    »Riesendeal?«
    Ness zuckte zusammen und schwieg. Ich lehnte mich zurück und fixierte meine Klientin. Von den Gleisen her war das kreischende Bremsen eines einfahrenden Zuges zu hören.
    »So kommen wir nicht weiter. Womit hat er gedealt? Koks?«
    Sie nickte langsam.
    »Wo?«
    »Meistens als Kurier, manchmal auch auf Partys.«
    »Kurier?«
    »Mit dem Fahrrad. Auto hatte er keins.«
    »Hat er auch auf der Straße verkauft?«
    »Nie.«
    »Also hat er einen fetten Deal an Land gezogen und ist danach abgetaucht. Was erscheint dir daran so merkwürdig, dass du einen Detektiv aufsuchst?«
    Sie funkelte mich wütend an. »Philipp ist nicht so! Er …« Ihre Lippen zitterten. Tränen liefen ihr über die Wangen und verschmierten den Kajal.
    »Er wollte aufhören. Ein letzter Auftrag, hat er gesagt, noch einmal so richtig fett Kohle absahnen. Danach sei Schluss. Es war ihm ernst damit.«
    »Okay, mal angenommen, er hat den Deal durchgezogen und ist nicht abgehauen: Wo könnte er dann sein?«
    Ness zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn eine Million Mal versucht anzurufen, mindestens. Doch da geht sofort die Combox dran. Und in seiner WG hat er sich auch nicht blicken lassen.«
    »Woher hat er den Stoff?«
    Ihre Schultern hoben und senkten sich. »Darüber haben wir nie gesprochen.«
    »Nie auch nur ein klitzekleiner Hinweis?«
    »Nein, echt nicht.«
    »Wo wohnt er denn?«
    »In letzter Zeit war er meist bei mir. Sonst wohnt er mit zwei anderen Jungs über der St. Pauli Bar. Zweiter Stock. In dem blauen Haus, Ecke Langstrasse/Militärstrasse.«
    Ich nickte. Das Haus war mir bekannt. »Und seine Familie?«
    Schulterzucken.
    »Wie heißt er mit Nachnamen?«
    Schulterzucken.
    »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste?«
    Ratloser Blick.
    »Hm, du weißt nicht gerade viel von ihm. Und da verwundert es dich …« Ich verkniff mir den Rest des Satzes, das Mädchen heulte eh schon.
    »Wie lange kennst du ihn?«
    »Zwei Monate.«
    Ich schluckte leer. Zwei Monate waren kein gutes Stichwort. Vor zwei Monaten hatte Annina mich verlassen. Hatte sich ausgeloggt. Account deleted. Nach vier Jahren Beziehung hatte sie sich plötzlich in den Kopf gesetzt, Kinder zu kriegen. Die biologische Uhr, das Ticken und so weiter. Was Frauen halt so umtreibt. Auf eine vorsichtig abtastende Frage ihrerseits reagierte ich aus lauter Panik mit dermaßen übersteigerter Euphorie, dass sie das Thema nie mehr anschnitt. Ein paar Wochen später wurde ich storniert. Doch ich war mir sicher, dass ich sie in absehbarer Zeit wiedersehen würde. Höchstwahrscheinlich im Kreis ihrer Freundinnen, die auch Webdesignerinnen waren oder Onlineredaktorinnen oder etwas ähnlich Kreatives, das einen stets mitgetragenen Laptop und überall drahtfreien Internetzugang erforderte. Sie würden an einem Samstagnachmittag im Für dich sitzen, wo sie mit ihren Kinderwagen demonstrativ
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher