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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
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wirkte im Gegensatz zu den umliegenden Protzvillen eher bescheiden und lag etwas nach hinten versetzt und geduckt am Ende eines gewundenen Kieswegs. Die Fassade bröckelte stellenweise, Risse zogen sich durch den Verputz, und auf den ehemals rostroten Dachziegeln wucherte Moos, aber das betonte den Charme und den Stil des zweistöckigen Gebäudes eher noch. Es war umgeben von einem dicht bewachsenen Garten, den man dringend wieder einmal hätte jäten müssen. Wobei roden oder abfackeln wohl sinnvoller gewesen wäre.
    Heckenrosen säumten den Kiesweg, ihre roten Früchte glühten in der Abendsonne, leuchtend orange Kürbisse lagen herum wie übrig gebliebene Luftballons von einer Party für Riesenkinder, ansonsten war aber deutlich zu sehen, dass der Herbst nahe war und das Anwesen verwahrloste. Vertrocknete Blütenstände überall, geplatzte Samenschoten, abgestorbenes, zum Teil verfaultes Gemüse, ein Meer aus Braun und Algengrün und Schwarz.
    Ich drückte mit der Hand das schmiedeeiserne Gartentor auf, worauf es klagend wimmerte. Ein aufgeschrecktes Rascheln ließ mich nach oben blicken, in die Äste einer Linde. Neugierig spähte ich in das goldgelbe Blattwerk, doch das Rascheln war verstummt und nichts regte sich mehr.
    Voller Elan sprang ich die drei Stufen zur Haustür hinauf, überflog das Namensschild und drückte beherzt auf die Klingel. Aus dem Innern des Hauses war gedämpft der verspielte Klang eines Glockenspiels zu hören. Während ich wartete, las ich das Namensschild erneut. Barbara Georget, stand darauf, und irgendwie erinnerte mich der Name an etwas − etwas, das mir schon seit ihrem Anruf im Kopf herumgeschwirrt war. Ich kam nur nicht darauf. Doch ich hatte keine Zeit zum Überlegen, denn die Tür schwang auf und der üppigste Schmetterling, den ich je gesehen hatte, stand vor mir. Mit gespreizten Flügeln hing er im Türrahmen. Feinster, beinahe transparenter Stoff floss in Ocker und Orange an ihm herunter, verziert mit goldfarbenen und schwarzen Ornamenten, die offensichtlich ein von epileptischen Anfällen geschütteltes Kind aufgemalt hatte. Mitten in dieser wilden Pracht kauerte ein teigiges, rundes Gesicht in einem Nest von goldenen Halsketten und beäugte mich argwöhnisch. Ich lächelte vorsichtig.
    Der Schmetterling wackelte mit dem Kopf, und die silbergrau getönte Krystle-Carrington-Frisur erschauderte. Dann lächelte er auch.
    »Herr Kummer, nehme ich an?«, flötete er mit gespitzten Lippen, und jetzt erkannte ich die Stimme wieder. Fünfundvierzig war eine wohlwollende Schätzung gewesen.
    »Frau Georget?«
    »Babsi, für Sie.«
    Irgendetwas rastete in meinem Kopf ein. Sie lächelte erneut, und ihr Doppelkinn vervielfachte sich, als sie mir zunickte, dann senkte sie die Arme, mit denen sie sich beidseitig am Türrahmen abgestützt hatte. Mit einem leisen Seufzen fiel das bunte Seidenkleid in sich zusammen und blieb schlaff über ihren Rundungen hängen. Damit war auch die Illusion des Schmetterlings verpufft, übrig blieb eine dickliche, überkandidelt angezogene Raupe.
    »Kommen Sie.«
    Der sandelholzschwere Duft von Räucherstäbchen schlug mir entgegen, als ich ihr ins Haus folgte. Während sie vor mir her durch den Flur ging, rasselte es aus ihrem kaftanartigen Kleid andauernd, als versteckte sich die Percussiontruppe von Earth, Wind and Fire darunter. Wie ein zerschlissener Vorhang flatterte es um ihren Körper, und ich war nicht unglücklich, dass der Stoff nur beinahe transparent war. In diesem Moment wandte sie den Kopf und lächelte mich über die Schulter hinweg an. Ich lächelte zurück und stellte überrascht fest, dass sie dabei unglaublich sexy wirkte. Erst jetzt bemerkte ich, wie elegant, ja beinahe tänzelnd sie sich trotz ihrer körperlichen Fülle bewegte. Das Haar hüpfte fröhlich auf ihren Schultern, die Hüften wogten nach links, dann nach rechts, sodass ich ein bisschen um die Vasen und Götterstatuen fürchtete, die den Korridor zum Wohnzimmer säumten.
    Dort angelangt, drehte sie erst mal eine schwungvolle Pirouette. Ihr Kleid bauschte sich auf, und Earth, Wind and Fire rasselten einen Tusch. Sie breitete die Arme aus wie ein Zirkusdirektor, der gerade eine Sensation ankündigt, und sah mich Beifall heischend an. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und augenblicklich wurde mir schwindlig. Als ich mich einigermaßen gefasst hatte, fixierte ich einen hüfthohen handgeschnitzten Elefanten aus Teakholz und Stoßzähnen aus wahrscheinlich echtem
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