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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
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auszuweichen.
    »Das ist alles, Beta, mein Sohn?«, fragte sie zweifelnd, als sie sich meine spartanisch, aber meines Erachtens stilvoll gehaltene Homepage anschaute. Ob sich ihre Skepsis auf die Gestaltung der Seite bezog oder meinen Geisteszustand, war nicht genau zu eruieren.
    »Da sollten mehr Farben sein, Muster und Ornamente, die Leute mögen es fröhlich«, bemängelte sie. »So was erwarten die Schweizer von uns Indern! Sonst wirst du nie erfolgreich!«
    »Ma, ich bin kein Teppichhändler auf dem Basar in Agra, sondern ein Privatdetektiv!«, erwiderte ich entsetzt.
    Sie zuckte mit den Schultern. » Acha. Gut. Wenn du meinst.«
    Den vierten Besucher meiner Homepage kannte ich nicht, folgerichtig war er der erste potenzielle Kunde. Es bestand Hoffnung.
    Flüchtig las ich die Anzeigenseite. Ein Inserat von Madame Bonheur, gleich unter meinem, versprach Glück in Liebe und Beruf, Madame pendelte, legte Karten und las Kaffeesatz, auch am Telefon, darüber drohte Domina Paulina härteste Bestrafung für den diskreten Geschäftsmann, ab siebzehn Uhr, an. Ich befand mich wieder mal in bester Gesellschaft.
     
    Ich musste kurz eingenickt sein, denn als ich erwachte, erfüllte goldenes Nachmittagslicht den Raum. Ganesha lächelte selig und irgendwie ein wenig beduselt vor sich hin, Staub tanzte in der Luft, und es roch nach gebratenem Lammfleisch und Zwiebeln, was auf das immer noch offen stehende Fenster und die tausendundeinen Kebabstände der nahe gelegenen Langstrasse zurückzuführen war. Irgendwoher erklang ein summendes Geräusch, und der Tisch vibrierte leicht. Es dauerte dennoch zwei oder drei weitere Sekunden, bis ich begriff. Mein Telefon klingelte! Ich sprang auf, und während ich es zum Ohr führte, dachte ich einmal mehr daran, den Klingelton zu ändern, dieses halbseidene Gesumme war ziemlich uncool für einen richtigen Detektiv.
    »Herr Kummer?«
    Ich bejahte, ohne zu korrigieren.
    »Ich brauche Sie dringend!«
    »Natürlich«, erwiderte ich und grübelte darüber nach, wer aus meinem Bekanntenkreis sich da einen Scherz mit mir erlaubte. Es war eine hohe, weinerliche Stimme, die einer etwa fünfundvierzigjährigen Frau gehörte, so schätzte ich. Ich kannte keine Frauen in dem Alter, jedenfalls nicht näher und schon gar nicht solche, die akzentfrei Deutsch sprachen. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Das kann ich Ihnen nicht am Telefon mitteilen. Wären Sie so nett und würden kurz zu mir rausfahren?«
    Ich brummte abwägend, raschelte mit der Zeitung und hoffte, dass das wenigstens ein bisschen nach übervoller Agenda klang. Dann war ich so nett. Sie gab mir die Adresse. Beste Wohnlage auf der linken Seeseite, noch in der Stadt. Ein guter Anfang, dachte ich.
    Ich hatte ja nicht den Hauch einer Ahnung.
     
    Auf der Suche nach einem Parkplatz fuhr ich im Schritttempo durchs Quartier. Einmal mehr stellte ich fest, wie provinziell und reizlos Wollishofen war mit seiner konzeptfreien Mischung aus abgehalfterten Mietblöcken aus den Sechzigerjahren, den dörflich wirkenden Wohnhäusern mit Kleingewerbe im Erdgeschoss und den unzähligen gesichtslosen Geschäftsgebäuden, die sich entlang der Seestrasse dicht aneinanderdrängten − und wie hübsch und gepflegt oberhalb der Tramlinie, wo der Hügelzug sanft anstieg und schmale Einbahnsträßchen zu umzäunten und schmuck bepflanzten Grundstücken führten, wo meist im Hintergrund von Bäumen gut getarnt eine Villa lauerte. Ich parkierte meinen hellblauen Volkswagen, einen klapprigen Käfer, den ich von meinen Eltern zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte, vorschriftswidrig auf dem Gehsteig, denn ein regulärer Parkplatz war nicht auszumachen.
    Sofort fiel mir die Stille auf, die hier herrschte. Weit unten glitzerte unverdrossen der Zürichsee und spielte mit seinen Schiffchen und den von Sonnenhungrigen dicht besiedelten Ufern weiterhin Sommer. Irgendwoher aus der Ferne drang verhalten das einlullende Rauschen der Straße. Ansonsten war nur das zögernde Tschilpen einer Amsel zu hören. Es schien, als hätten die Bewohner des Viertels beim Bingo gestern Abend allesamt eine Kreuzfahrt gewonnen oder zumindest so viel getrunken, dass sie vor lauter Kopfschmerzen nur auf Zehenspitzen herumliefen. Andererseits war das nicht die Gegend, in der man es nötig hatte, Bingo zu spielen, und getrunken wurde auch nie zu viel. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
    Ich betrachtete das Haus, das mir meine allererste Klientin als Adresse angegeben hatte. Es
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