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Evies Garten (German Edition)

Evies Garten (German Edition)

Titel: Evies Garten (German Edition)
Autoren: K.L. Going
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Damals
    »Vor langer, langer Zeit gab es einen wunderschönen Garten.«
    »So wie unser Garten?«
    »Fast wie unserer, aber noch viel größer.«
    »Gab es auch Bäume? Wie die, die Vater gepflanzt hat? Oder nur Obst und Gemüse?«
    »In dem Garten wuchsen alle möglichen Bäume. Es gab Ahornbäume und Eichen. Feigenbäume und Olivenbäume. Orangenbäume und …«
    »Apfelbäume!«
    »Ja, auch Apfelbäume.«
    »Und welche Tiere haben dort gewohnt?«
    »Ach, so viele, dass ich sie vor dem Schlafengehen gar nicht alle aufzählen kann. Lass mich mal überlegen. Also da waren Tiger und Nashörner und natürlich die strahlend weißen Einhörner, die …«
    »Einhörner gibt’s nicht. Hat Vater gesagt. Er hat gesagt, dass keine deiner Geschichten wahr ist, denn wenn es Zauberei geben würde, dann wärst du gar nicht krank.«
    »So, hat dein Vater das gesagt? Dann verrate ich dir jetzt ein Geheimnis, aber du darfst es niemandem weitersagen.«
    »Was für ein Geheimnis?«
    »Vater weiß auch nicht alles. Er ist noch nicht mal schlau genug, abends hereinzukommen und sich die Geschichten anzuhören. Und das ist doch total wichtig, oder?«
    »Ja. Total.«
    »Aber soll ich dir was sagen? Eines Tages entdeckt vielleicht sogar dein Vater einen verzauberten Garten.«
    »Nimmt er uns dann mit, damit wir ihn sehen können?«
    »Dich würde er mitnehmen, Evie. Vater denkt immer an dich, selbst wenn es so aussieht, als hätte er dich vergessen.«
    »Und nimmt er dich auch mit?«
    »Kann sein. Vielleicht werde ich auch schon da sein und dort warten, wo das Gras grün ist und die Bäume immer blühen, und die Blätter der Kirschblüten wie Regentropfen auf dem Wind reiten.«
    »Du, Mom? Hat es das Paradies wirklich gegeben? Ich meine nicht als Geschichte, sondern als echten Garten?«
    »Das hängt davon ab, ob du dran glaubst. Manche Leute sagen, es hat einen echten Garten gegeben, der vertrocknet ist und vom Wind verweht wurde. Andere sagen wiederum, dass es nur eine Geschichte ist. Und ein paar glauben, dass es ihn noch gibt. Aber niemand weiß es genau.«
    »Und was glaubst du?«
    »Ich? Ich glaube, ein echter Garten wäre heute ziemlich verwildert, du nicht? Aber vielleicht findet jeder von uns eines Tages seinen eigenen wunderbaren Garten.«
    »Aber wie sollen wir da hinkommen?«
    »Das ist eine gute Frage. Vielleicht können wir erst dann in unseren Garten gehen, wenn wir gestorben sind. Möglicherweise ist das der Grund, warum wir nicht ewig leben.«
    »Wirst du sterben?«
    »Ja. Jeder von uns stirbt eines Tages.«
    »Wirst du einen wunderschönen Garten finden, Mom?«
    »Ich hoffe es, Evie.«
    »Dann treffen wir uns dort. Und ich bringe Vater mit, auch wenn er nicht an vollkommene Gärten glaubt und lieber Unkraut rupft.«
    »Okay, das klingt gut, aber ihr solltet erst zum richtigen Zeitpunkt kommen. Hilf Vater bis dahin in seinem eigenen Garten. Versprichst du mir das?«
    »Hmm …«
    »Du musst es mir versprechen.«
    »Gut, ich verspreche es.«
    Doch insgeheim kreuzte Evie die Finger.

Drei Jahre später …

An der Wegkreuzung
    Die letzte Kurve der endlosen Landstraße brachte sie nach Beaumont. Vater wollte immer geradeaus weiterfahren, doch dann kamen sie an eine Stelle, an der sich die Straße gabelte. Also hielt er den alten Lastwagen an, der mit ihrem ganzen Hab und Gut vollgepackt war, und stieg aus, um auf die beiden schmalen Straßen zu starren, die sich in der Dunkelheit verloren. Vielleicht hatten sie sich ja verfahren und mussten nach Michigan zurückkehren.
    Evie hoffte, dass sie sich verfahren hatten.
    Trotz der Kälte kurbelte sie das Fenster herunter. »Lass uns zurückfahren«, rief sie hinaus, doch ihr Vater machte ein paar Schritte und war gleich darauf im dichten Nebel verschwunden. Evie wartete ab. Als er nicht antwortete, setzte sie sich mit klopfendem Herzen auf dem Vordersitz auf und stieß die Tür auf. Doch sobald sie offen war, wurde Vater Stück für Stück wieder sichtbar, bis seine ganze Gestalt aus dem dunklen Grau aufgetaucht war.
    »Ich weiß nicht, welchen Weg wir nehmen sollen«, sagte er, als er den Lastwagen erreicht hatte und sich an den Rahmen des offenen Beifahrerfensters lehnte. Obwohl er seine gefütterte Gärtnerjacke und die dicken Lederhandschuhe trug, waren seine Wangen und die Haut um seinen Bart herum vom Wind schon ganz rot. Die Kälte kroch in den Lastwagen. »Der Nebel ist zu dicht, und an diese Straßenkreuzung kann ich mich überhaupt nicht erinnern.«
    Er kratzte sich
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