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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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herrlich neuen Lebensabschnitt. Lisa kommt in die Schule, Ihr dreijähriger Sohn in den Kindergarten, und Sie starten beruflich neu durch. In der Kanzlei Ihres Mannes werden Sie in einem hellen Raum Ihr Büro einrichten. Zwei wunderbare Kinder, ein Traum von einem Ehemann, ein spannender Job. Glücklicher kann man nicht sein.
    HÖLLE
    An einem Montagmorgen im Oktober beziehen Sie das Büro. Als Sie die Möbel nach Ihrem Geschmack umgestellt, sämtliche Unterlagen verstaut und den Computer angeworfen haben, öffnen Sie das Fenster. Aus der Wohnung gegenüber, deren Fenster ebenfalls offen stehen, kommt Musik. Laut und auf unangenehme Weise vertraut. Stunden später, längst sitzen Sie am Schreibtisch, fällt der Groschen. Fado. Diese schwermütigen Lieder, die Ihr Mann vor Jahren nonstop hörte.
    Der Verdacht kriecht in Ihren Körper wie eine kalte Schlange. Sie beginnen, die Frau zu beobachten. Die Matinee war eine Ausnahme, wie Sie in den folgenden Wochen feststellen. Normalerweise kommt sie am späten Nachmittag nach Hause, schaltet die Lichter an und öffnet ihre Fenster. Dann beginnt sie zu packen. Die Wohnung steht voller Kisten, die sie mit Büchern, Geschirr und Kleidern füllt. Ihre Handgriffe sind flink, bisweilen hektisch. Nur wenn sie Fado-Musik auflegt, jeden Abend, verändert sie sich. Sie geht wie in Zeitlupe, betrachtet das Buch, den Teller, die Bluse, bevor sie sie behutsam in einen der Kartons legt.
    Sie beobachten auch Ihren Mann. Wie kommt es, dass er täglich just in dem Moment, da drüben Licht angeht,mit seiner Arbeit fertig ist, den Computer abdreht und das Büro verlässt. Als Sie ihn fragen, ob die Frau auszieht, brütet er dermaßen konzentriert über einer Akte, dass er nichts hört. Sie wiederholen Ihre Frage. Wer? Ach so, ja. Ja, die heiratet, hat sie irgendwann erzählt, und übersiedelt aufs Land oder so. So genau hat er sich das nicht gemerkt.
    Sie denken an die Zeit vor Ihrer Hochzeit. Die Singlewohnung aufzulösen war ein Festakt. Sie tanzten von Kiste zu Kiste, jeder volle Karton brachte Sie Ihrem neuen Leben einen Schritt näher. Die Frau dort drüben wirkt wie in Trauer. So entschlossen sie packt, so zügig die Arbeit vorangeht, von Freude keine Spur.
    An dem Abend, als Sie sie das erste Mal auf dem Fensterbrett sitzen sehen, stirbt Ihre letzte Illusion. Vor einer Woche haben Sie begonnen, nach dem abrupten Abgang Ihres Mannes alle Lichter zu löschen und die Frau, die sich unbeobachtet wähnt, unter die Lupe zu nehmen. Sie setzt sich mit einem Glas Rotwein auf das Fensterbrett, dreht ihr Gesicht zum vermeintlich leeren Büro, und weint. Sie könnten sich vorbeten, dass sie nicht sein Typ ist. Er mag blonde, große, ein wenig mollige Frauen. Sie ist klein, schlank, mit langem schwarzem Haar. Sinnlos. Der Schmerz, den Sie jeden Abend sehen, sagt Ihnen, was Sie nicht wissen wollten.
    Der Fremde, der damals verzweifelt anrief, war nicht paranoid, nur weniger naiv als Sie. Die langen Arbeitszeiten Ihres Mannes, die Schlafstörungen, der Gewichtsverlust. Wie Puzzlesteine fügen sich die Indizien zu einem Bild. Nicht stressgeplagte Nerven ließen ihn zusammenzucken, als der Kurier läutete. Er hatte Angst, dass sievor der Türe stehen könnte. Das Duschen im Büro, die Frage nach Ihrem Tagesablauf, der frische Wind im Bett. Meine Güte, wie blind kann man sein?
    Während Sie wissen, dass Sie die Kaltblütigkeit, mit der er Ihnen reinen Blickes ins Gesicht log, weder verzeihen noch vergessen können, beschließen Sie, die Affäre wortlos ad acta zu legen. Sie tragen die Verantwortung für zwei Kinder, er ist ein wunderbarer Vater und, seien Sie fair, weit besserer Ehemann als so mancher, der in Ihrem Freundeskreis sein Unwesen treibt. Ja, er hatte eine flüchtige Affäre. Aber er ließ seine Familie nicht im Stich. Und, vor allem, das alles ist so lange her. Welchen Sinn hätte es, eine längst vergessene Geschichte aufzuwärmen.
    Bei aller Vernunft überkommt Sie immense Erleichterung, als in der hell erleuchteten Wohnung Möbelpacker auftauchen. Während Sie automatisch die Schreibtischlampe abdrehen, hören Sie Ihren Mann ins Badezimmer gehen. Bald erlöschen drüben die Lichter. Sie ziehen Ihren Mantel an und brechen auf, um Lisa von einem Kindergeburtstag abzuholen. Sie sind schon an der Türe, da piepst das Handy Ihres Mannes. Sie machen kehrt und wissen Bescheid. Jedes Mal das Gleiche. Sie will länger bleiben und schickt Papa, der seiner Prinzessin keine Bitte abschlagen kann,
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