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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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Vielmehr hat dieser Mann geschafft, wovon wir alle phantasieren: Die scheinbar konträren Bedürfnisse nach Sicherheit und Freiheit zu vereinen. Im zivilisierten Leben unterrichtet er Sport an einem städtischen Gymnasium. Ansonsten braucht er nichts als Sonne, Luft und Wind. Weshalb er vor fünf Jahren die Chance nutzte, das verfallende Hüterhaus zu pachten, wo er fernab von Kneipen, Kinos und Autolärm seinen Traum vom Leben im Einklang mit der Natur verwirklicht.
    Sie bewundern den heiteren Frieden, den Ihr Gastgeber ausstrahlt. Zum ersten Mal seit Monaten kommen Sie zur Ruhe. Der Tee schmeckt süß, die nachmittägliche Aprilsonne streichelt Ihr Gesicht, und dass der Kerl phantastisch aussieht, groß, athletisch, jungenhaft maskulin, ist auch kein Fehler. Beim Abschied, es dämmert schon, versprechen Sie, den Sonntag drauf wiederzukommen.
    Die Woche zieht sich. Wacker widerstehen Sie der Versuchung, zu einer spontanen Visite in Richtung Knusperhäuschen aufzubrechen. Endlich Sonntag. Ihr neuer Freund erwartet Sie mit einem Imbiss. Während Sie genüsslich mampfen und spüren, wie die Wunden desWinters zu heilen beginnen, erzählt er von seiner Liebe zur Natur. So gerne er Chopin, Mozart und Brahms hört, am schönsten musiziert der Wind. Sein Wecker ist der Gesang der Amseln, sein Teppich die Erde, die Sonne seine Uhr. Und Jara, lacht er, meine Lebensgefährtin. Sie verschlucken sich. Als Sie hustend den Riesenmischling mustern und überlegen, ob der Typ zoophil oder bloß schwul ist, legt er die Hand an Ihre Wange, dreht Ihr Gesicht zu sich und blickt in Ihre Augen. Er sei normal, versichert der Gedankenleser, nur gehe er keine Kompromisse ein.
    Die sonntäglichen Besuche werden zum Highlight Ihrer Woche. Sogar Jara hat Sie ins Herz geschlossen. Was sie bedauerlicherweise vermittelt, indem sie sich zur Begrüßung auf die Hinterbeine hievt und die Vorderpfoten auf Ihren Schultern deponiert. Sie lernen, die faustgroßen Dreckflecken als poppige Applikation zu betrachten.
    Ende Mai bittet er Sie, mit Einbruch der Dunkelheit zu kommen, er plane eine Überraschung. Sie sehen den gedeckten Tisch, die Fackeln, das Grammophon, und sinken überwältigt auf den Stuhl. Dass Gemüseauflauf weder zu Ihren Lieblingsspeisen zählt noch ins wildromantische Ambiente passt, ist egal. Hier punkten der Mond, die Sterne und die Liebe in den Augen dieses einzigartigen Mannes.
    Als Sie zu Vogelgezwitscher erwachen, durchdringt ein herber, seltsam vertrauter Geruch den Duft frisch gekochten Kaffees. Sie rappeln sich hoch. Lustig, auf einer Matratze haben Sie zuletzt als Teenager geschlafen. Wobei die Lagerstatt im Landschulheim deutlich komfortabler war. Oder ist es das Alter, das Ihre Knochen knurren lässt.Entschlossen, die Rückenschmerzen geheim zu halten, trippeln Sie in Richtung Lover, der, über einen Holzbottich gebeugt, in der Bad-Küche-Kombinische werkt. Das Waschbrett, die Körperhaltung, Kernseife! Sie sehen Ihre Oma. Standhaft ignorierte sie die Waschmaschine, dieses neumodische Ding, das die Familie ihr aufgedrängt hatte, blieb der altbewährten Methode bis zum letzten Atemzug treu.
    Er umarmt Sie und beantwortet Ihren belämmerten Blick mit einer aufschlussreichen Lektion. Kernseife, erfahren Sie, ist unparfümiert, zu hundert Prozent biologisch abbaubar und selbst für Allergiker geeignet. Bevor Sie fragen können, welche Allergien ihn plagen, preist er, ein weißes T-Shirt schrubbend, die Reinigungskraft des Produktes, das hartnäckigste Verschmutzungen sogar in kaltem Wasser löst. Toll. Aber wie überleben zarte Stoffe, Viskose, Satin, von Farben ganz zu schweigen, die Brachialbehandlung? Solches Zeug, Sie Dummchen, kauft man nicht. Naturtextilien heißt das Zauberwort. Seine Hosen, Shirts und Pullis sind aus kb A-Baumwolle , aus kontrolliert biologischem Anbau und, ganz wichtig, chlorfrei gebleicht. Bei Hemden bevorzugt er Baumwoll-Hanf-Gemische.
    Dass er, als Sie die Duschtasse besteigen, seinen Kernseifenriegel offeriert, kommt doch überraschend. Sie sind kein ölverschmiertes T-Shirt . Es folgt ein Referat über die Tücken übertriebenen Sauberkeitswahns. Parfümierte Seifen, Duschgels, Badesalze, allesamt synthetisch hergestellt, attackieren die Schutzschicht der Haut, was auf Dauer zur Zerstörung des Fett- und Säuremantels führt. Sie betasten Ihren nackten Körper, der, so stellen Sie erleichtert fest, Schaumbad- wie Peelingorgien offenbar unbeschadet überstandenhat. Sie duschen mit Kernseife und
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