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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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wöchentlich. Eines Nachmittags, man sitzt in der noch leeren Kneipe, läutet sein Handy. Unmöglich, krächzt er, so leid es ihm tue, eine schwere Grippe fessle ihn ans Bett. Befremdet ziehen Sie die Augenbrauen hoch. Ein alter Freund, erklärt er, der dieser Tage essen gehen wollte. Um ihn nicht zu verletzen, griff er zur Notlüge. Er möchte dem Armen, der ihm seit zwei Jahren dreitausend Euro schuldet, ersparen, das peinliche Thema anschneiden zu müssen.
    Hut ab. Lektion zwei in Sachen Rücksicht folgt, als Sie von seinem Essen kosten und fragen, wieso er die versalzene Hühnerbrust nicht beanstandet. Weil die Kellnerin keineSchuld trägt. Es wäre unfair, sie durch eine Kritik zu demütigen, die dem Koch gebührt. Sie betrachten das junge Mädchen, das mit schwer beladenen Tabletts von Tisch zu Tisch hetzt, und nehmen sich vor, den Menschen in diesem harten Job künftig mehr Respekt entgegenzubringen.
    Zwei Monate später ist der Sanfte Ihr Geliebter. Im Gegensatz zur Redaktion, wo Sie das Verhältnis einvernehmlich geheim halten, weiß Ihre Freundin längst Bescheid und brennt darauf, den Mann, der Sie wieder strahlen lässt, kennenzulernen. Leider stürmt, bevor sie das Lokal betritt, der fünfjährige Sohn an Ihren Tisch. Hätte sie das antiautoritär erzogene Goldstück nicht in Papas Obhut lassen können? Der Fratz wird brüllen, spucken, Gäste bequatschen. Weshalb Sie mit Ihrer Freundin auch an diesem Abend aneinanderkrachen. Statt des üblichen Zerwürfnisses, gefolgt von mehrwöchiger Funkstille, endet die Szene friedlich. Ihrem Freund ist es gelungen, den Streit zu schlichten.
    Bei aller Dankbarkeit für das harmonische Finale befremdet sein Ansinnen, Sie hätten sich entschuldigen sollen. Wegen Lappalien setze man keine Freundschaft aufs Spiel. Sie lösen sich aus seiner Umarmung, schießen hoch und verpassen der Bettdecke einen Faustschlag. Wie bitte? Entschuldigen? Dafür, dass der Bengel mit dem Löffel ins Kartoffelpüree drischt, bis das Tischtuch Länge mal Breite kackgelb bekleckert ist? Wer recht hat, erfahren Sie, sollte die Größe besitzen, für Kritik um Verzeihung zu bitten. Was eines Tages der andere, seinen Irrtum erkennend, hoch honorieren wird.
    Angesichts Ihrer Skepsis erzählt der Edle von seinem tyrannischen Vater. Ein Trinker, der Frau und Kindernahezu täglich verprügelte. Mit Fäusten, Gürteln, Kleiderbügeln. Bei schweren Vergehen folgte den Torturen Stubenarrest. In diesen Stunden, alleine im finsteren Keller, während oben der Irre tobte, schwor sich der Bub, niemals einen Menschen anzuschreien, zu beschimpfen oder zu schlagen. Später, neben dem Informatikstudium, verschlang er psychologische Literatur, um den Weg in ein friedliches Leben zu finden und, da die Eltern nicht als Vorbild taugten, das Funktionieren gesunder Mann-Frau-Beziehungen zu ergründen.
    Wie man bei der höllischen Kindheit, statt in Drogen zu versumpfen, heilen und sich zu einem vorbildhaften Menschen entwickeln kann, ist unbegreiflich. Der Friede, registrieren Sie kurz vor dem Einschlafen, strahlt auf Sie aus. Nachdem Sie seit Wochen nicht an Ihren Nägeln kauen, sind nun auch Magenschmerzen und nervöses Augenzucken verschwunden. Das Horrorjahr verblasst. Als hätte eine andere es gelebt. Sie sind im Hafen der Harmonie eingelaufen. Halleluja.
    HÖLLE
    Die erste gemeinsame Reise fällt ins Wasser. Statt drei Tage in der Therme abzutauchen, muss Ihr Freund kurzfristig für einen Kollegen einspringen. Sie vermuten eine Katastrophe. Doch ist es kein Herzinfarkt, weder Schlaganfall noch Knochenbruch, der den Dienst am Helpdesk vereitelt. Die in Deutschland lebende Schwester kommt überraschend zu Besuch. Na und. Entweder koordiniert sie ihre Stippvisite mit Bruders Arbeitszeiten oder sie hat Pech gehabt. Das verstehen Sie nicht, Sie Einzelkind, erklärt der Gute milde lächelnd. Die beiden hängen innigstaneinander, gerne verhilft er ihnen zu diesem bisschen gemeinsamer Zeit.
    Was Sie sehr wohl verstehen, ist der Spitzname, den er sich in der Redaktion eingefangen hat: Mutter Teresa. Wie hatten Sie den Kollegen gezürnt, Zyniker allesamt, denen ein Schuss Hilfsbereitschaft nicht schaden könnte. Doch arbeitet er wahrlich konsequent an seinem Aufstieg zum Trottel vom Dienst. Da er den Samaritereinsatz keinesfalls verpassen will, verschieben Sie Ihren Kurzurlaub um eine Woche.
    Während Sie in die Hotelgarage fahren, steuert er, um zeitsparend einzuchecken, die Rezeption an. Statt eines Schlüssels
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