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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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überbringt er die Nachricht, das Zimmer sei nicht fertig. Bevor er zum Vortrag über das Arbeitsleid überlasteter Zimmermädchen ansetzen kann, verlangen Sie nach dem Manager. Siehe da, ein kurzes Gespräch, schon erhalten Sie zwei Keycards samt Massageplan. Als er im Ruheraum angesichts der zwanzig mit Badetüchern markierten menschenleeren Liegebetten meint, man könne ja auf dem Boden entspannen, reißt Ihre Geduld. Sie pfeffern sich auf ein Bett und schließen die Augen. Nicht dass Sie Ihren Macho-Ex vermissen, Gott behüte. Nur: Eine Memme war er nicht.
    Der letzte Rest von Respekt verpufft an der Kasse des Supermarktes, den Sie am Nachmittag der Heimkehr aufsuchen. Er hat versäumt, sein Obst zu wiegen, worauf die an Nase, Lippen und Ohren gepiercte junge Dame, Augen verdrehend, eine Kollegin herbeibrüllt und per »Der da hat seine Bananen nicht abgewogen« die Tüte übergibt. Die anwachsende Warteschlange veranlasst ihn, sich allseits zu entschuldigen und, man fasst es nicht,der rotzfrechen Kassiererin beim Abgang einen schönen Abend zu wünschen.
    Die Einladung des Freundes, der vermutlich seine Schulden tilgen will, erweckt Ihre Neugierde. Statt die fälligen 3000 Euro auf den Tisch zu legen, bittet er nach dem Dessert um weitere 500. Der Trottel zückt sein Portemonnaie. Beinahe hätten Sie gedacht, der Edelmut-Experte habe recht, Gutes gebäre à la longue Gutes. Einen Dreck. Hier sitzt ein Feigling, Opfer einer Überdosis Waschlappenliteratur.
    Längst hat Ihre Verachtung das Bett infiziert. Langweilige Zärtlichkeiten. Nachts werden Sie von testosterongeschwängerten Träumen heimgesucht. Männern mit Dreitagebärten, die sich harten Auges nehmen, was sie wollen. Wo ist der geile Sex, der den Zerwürfnissen mit Macho folgte. Sie inszenieren einen Streit. Am Morgen nach dem Drama steht im Büro ein Blumenstrauß, auf der Karte prangt ein deprimiertes Hündchen, das in die Sprechblase »S-s-sorry« stottert.
    Ihre Freundin, fassungslos, wie kann man sich von diesem Traumtypen trennen wollen, veranstaltet ein Abendessen. Der Streit entbrennt, als Söhnchen Spinat auf Ihr cremefarbenes Kleid spuckt. Statt der traditionellen Funkstille läutet anderntags das Telefon. Sie verzeiht Ihre Intoleranz. Die in Wahrheit Schmerz ausdrückt, den Schmerz der Kinderlosen. Ihr Verdacht bestätigt sich. Ja, er habe angerufen, Gott sei Dank, denn jetzt versteht sie. Sie verstehen, dass Sie mit der Flasche nichts mehr zu tun haben wollen, und wählen zum letzten Mal die Helpdesk-Nummer.

Der Naturbursche
    Signora Versace, verspüren Sie manchmal
den Wunsch nach »Weniger ist mehr«?
− Nein. Weniger ist weniger. Mehr ist mehr.

Donatella Versace
    FALLE
    Er geht den wahren Weg.
    HIMMEL
    Siehe da, es stimmt. Das Schicksal ist gerecht. Wer sich von enttäuschter Liebe nicht niederschmettern lässt und wacker weiterwandert, dem wird nach ein paar tristen Lebenskilometern ein Glück zuteil, das das verlorene hell überstrahlt. Die Erkenntnis kommt in der Sekunde, da Sie den gedeckten Tisch im Weingarten sehen, die flackernden Fackeln rundum. Daneben er. Aus einem antiken Grammophon tönt Mozart. Sie wähnen sich in »Jenseits von Afrika«. Besser noch. Statt des Busch-Zeltes erwartet Sie ein Bett im nahen Knusperhäuschen, und kein Löwe wird es wagen, Ihrer beider erste Liebesnacht zu stören.
    Fünf Monate zuvor, im Dezember, war Ihnen die mysteriöse Hütte aufgefallen. Dank einer bitteren Trennung hatten Sie sich angewöhnt, die leeren Sonntage mit Spaziergängen durch die Weinberge am Rande der Stadt zu füllen. Während die alten Hüterhäuser, unbewohnt und ungenutzt, zusehends verfielen, schien dieses belebt. Die weißen Mauern frisch gestrichen, das Holzdach restauriert, aus den winzigen Fenstern drang Licht. Einmal hörten Sie einen Hund bellen. Dann wieder klassische Musik. Wer hier wohnte, blieb ein Rätsel.
    Am zweiten Sonntag im April sahen Sie ihn. Fenster und Tür standen offen, auf der Holzbank vor dem Häuschensaß ein Mann. Neugierig, angesichts des riesigen Köters zu seinen Füßen ein wenig zögerlich, stapften Sie bergan. Er tätschelte den Kopf seines mittlerweile bellenden Hundes und lächelte Ihnen entgegen. Sie bräuchten keine Angst zu haben, er und Jara freuten sich über Besuch. Sie hatten keine Angst und nahmen die Einladung zu einem Glas Tee an.
    Ihr Verdacht, Sie seien auf einen durchgeknallten Aussteiger gestoßen, der sich samt seiner Lebensunfähigkeit in der Pampa verkriecht, war falsch.
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