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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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am Computer abwickeln, zumal Ihr Mann abends die Kinderbetreuung übernimmt und kocht. Drei Jahre später, Sie haben gerade einen Sohn zur Welt gebracht, macht er sich selbstständig. Während der Steuerberater frühmorgens voller Elan zu seinem neuen Innenstadtbüro aufbricht, um die Kanzlei in Schwung zu bringen, ertrinken Sie im Haushalt. Die Zeit der Pflichtenteilung ist vorbei, an grafische Heimarbeit nicht mehr zu denken. Die Bitte, er möge abends früher Schluss machen, um Ihnen zwei Stunden Ruhe zu verschaffen, bringen Sie nicht über die Lippen, so blass und erschöpft sieht er aus, wenn er gegen Mitternacht die Wohnung betritt. Schließlich schuftet er für die Familie.
    Während Ihre Dauermüdigkeit lästig, jedoch logisch ist, machen Sie sich allmählich Sorgen um Ihren Mann. Er, der früher wie ein sattes Baby schlief, rollt nachts unruhig von Seite zu Seite, schreckt hoch und murmelt wirr. Rätselhaft auch der dramatische Gewichtsverlust, wo er doch mittags wie abends mit Klienten isst. Letztlich verändert die berufliche Überlastung sein Wesen. Erist gereizt, bisweilen aggressiv, faucht Sie und die Kinder grundlos an.
    Eines Abends, Sie besuchen ihn überraschend im Büro, zuckt er beim Klingeln erschrocken zusammen, rast zur Türe und wirkt immens erleichtert, als er den Eilkurier sieht. Auf Ihre Frage, ob er ein Killerkommando erwartet habe, lacht er gequält. Meine Güte, der Arme ist mit den Nerven am Ende. Wenn nicht depressiv. Mehr als der entrückte Blick, wie er Sie ansieht, ohne Sie zu sehen, beunruhigt sein neuer Musikgeschmack. Während er den iPod früher mit einem flotten Mix aus Klassik und Pop bespielte, hört er nun ausschließlich Fado. Wobei es nicht lange her ist, dass er Ihre vergleichsweise fidelen mexikanischen Folklore-CDs als depressives Gejaule bezeichnete.
    Sie haben Lisa vom Kindergarten geholt, auf dem Rücksitz schläft das Baby, und stecken den Schlüssel ins Zündschloss, als Ihr Handy läutet. Am Apparat ein Fremder. Ob Sie wüssten, fragt der deutlich Angetrunkene, dass Ihr Mann ein Verhältnis mit seiner Freundin hat. Die Nachbarin. Sie wohnt im Haus vis-à-vis der Kanzlei. Dass sie täglich miteinander reden, von Fenster zu Fenster, über die enge Gasse, weiß er schon lange. Das hat er geschluckt. Aber jetzt. Sie streitet alles ab, sinnlos, er hat sich auf die Lauer gelegt. Sie lügt. Sie besucht ihn, er besucht sie.
    Sie möchten erbrechen. Stattdessen schneiden Sie dem Fremden das Wort ab. Sie hören sich diesen Unsinn nicht länger an, er möge sich an Ihren Mann wenden und Sie in Frieden lassen. Bevor Sie auflegen, meint er, mit einem Mal bedrohlich ruhig und nüchtern, Sie sollten sich Ihres Gatten SM S-Ordner ansehen, dann würden Sie ihm glauben.
    Sie bringen die Kinder zu einer Freundin und fahren ins Büro. Ihr Mann, blass und wütend, wollte Sie soeben anrufen. Der Verrückte hat auch ihn belästigt. Ja, klar wechselt er hier und da ein paar Worte mit der Frau dort drüben, wenn man zufällig gleichzeitig lüftet, aus reiner Höflichkeit. Die ist ganz nett. Leider hat sie einen paranoiden Freund, der ihr permanent Verhältnisse unterstellt. Trotz der aufrichtigen Entrüstung Ihres Mannes und der Angst vor Beweisen ersuchen Sie ihn, sein Telefon zu zeigen. Das er kopfschüttelnd aushändigt. Die SM S-Ordner , Eingang wie Ausgang, sind leer.
    Dass er vorsichtiger ist? Im Gegensatz zu seiner Geliebten die verräterischen Textnachrichten löscht? Sie schauen ihm in die Augen. So stark und klar und rein ist sein Blick, dass Sie sich schämen, dem Fremden beinahe geglaubt zu haben. Für heute macht er Feierabend, um den Rest des Tages mit der Familie zu verbringen.
    Nach zwei Wochen, in denen Sie einander vorsichtig umkreisten, ist die Nachbarin samt verrücktem Freund vergessen. Zumal Ihr Mann zu seinem alten Selbst findet. Statt um Mitternacht erschöpft nach Hause zu kriechen, erscheint er, frisch geduscht und gut gelaunt, zum Abendessen. Nie hat er so häufig Blumen mitgebracht. Sexuell erleben Sie beide eine Renaissance. Während Sie sich in den letzten Jahren meist nur zu einem schlappen Gutenachtkuss aufrafften, ist im Bett der zweite Frühling ausgebrochen. So gierig und erfinderisch war nicht einmal der frisch Verliebte. Erfreut registrieren Sie das Interesse an Ihren eintönigen Tagen. Er fragt, wo Sie einkaufen, wer wie lange babysittet, ob und wenn ja wann Sie ihn im Büro besuchen möchten.
    Die Monate rasen, plötzlich stehen Sie vor einem
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