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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri
Autoren: Martin Clauß
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und las:
    TOCHTER DES EXZENTRISCHEN PSYCHIATERS VERSCHWUNDEN!
    Die Unterzeile lautete: WURDE MADOKA ANDÔ ENTFÜHRT? BISHER KEINE LÖSEGELDFORDERUNGEN.
    Werner sah Margarete an. „Andô? Ist das ihr richtiger Familienname?“
    „Der Artikel stammt aus dem Jahr 1997. Die Nachforschungen meines Detektivs haben ergeben, dass der Fall bis heute nicht aufgeklärt ist. Madoka tauchte nie wieder auf, und es gab nie Hinweise darauf, dass sie entführt wurde. Vermutlich ist sie aus eigenem Antrieb verschwunden. Sie war damals sechzehn, und sie hatte einige triftige Gründe, um von Zuhause auszureißen. Die Details stehen weiter unten und auch in diesen Berichten hier.“ Margarete überreichte ihm noch mehr Blätter, die weitere Zeitungsartikel und Übersetzungen enthielten. Jetzt verblieben nur noch wenige Blätter in ihrer Mappe.
    „Ich … glaube, ich gehe in mein Zimmer und lese mir das in Ruhe durch.“
    „Tu das. Es gibt eine spannende und aufschlussreiche Lektüre ab“, meinte die Dozentin. „Madokas Vater ist eine schillernde Persönlichkeit, wie du schnell feststellen wirst, und das Mädchen selbst hat schon zu einem viel früheren Zeitpunkt den japanischen Blätterwald gefüllt.“ Mit dem Grinsen eines Menschen, der einen anderen bis zum Platzen neugierig gemacht hat, legte sie auch die letzten Blätter noch in Werners Hände. Der Rektor, der schon aufstehen wollte, warf einen Blick darauf und plumpste wieder auf die Bank zurück.
    Was im japanischen Original eine fette Schlagzeile war, hatte der Übersetzer wieder schlicht in Großbuchstaben gesetzt:
    WUNDERKIND ERKRANKT AN HIRNHAUTENTZÜNDUNG – WELCHE AUSWIRKUNGEN HAT DIE KRANKHEIT AUF DEN PHÄNOMENALEN GEIST DER KLEINEN MADOKA ANDÔ?
    Der Artikel datierte von 1983. Madoka musste damals zwei Jahre alt gewesen sein.

10
    Japan, 1996
    „Wow, ich wusste nicht, was die hier alles haben ...“
    Namis Hände strichen über den Inhalt der gefüllten Schränke. Ihre Finger berührten die Fläschchen, die Dosen und Schachteln kaum, schwebten eher darüber hinweg wie über ein Trugbild, das allzu ungestümes Anfassen zum Zerplatzen bringen konnte. Abwesend murmelte sie die Namen der Medikamente vor sich hin, die sie kannte, und das war eine Menge. Offenbar hatte sie sich nicht immer auf Dächern herumgetrieben, sondern auch andere Praktiken in Erwägung gezogen. So ging es den meisten von ihnen. Man informierte sich. Interessierte sich für schnelle, schmerzlose, sichere Methoden, bildete sich fort. Viele Suizidgefährdete hatten mehr Medikamentenwissen angesammelt als so mancher Pharmazeut. Dumm nur, dass man sie nicht in Apotheken und Krankenhäusern arbeiten lassen durfte …
    Zwei der Jungen bewunderten die Injektionsnadeln, und Kaori fischte ein kleines Messerchen aus einer der Schubladen. Es machte den Eindruck, medizinischen Zwecken zu dienen – welchen genau, wusste sie nicht. Es hatte nur eine kurze, dünne, runde Klinge, fast wie das Skalpell eines Chirurgen. „Sieht aus, als käme man damit sogar durch einen Knochen“, flüsterte sie, und der Junge, der neben ihr stand, hob die Augenbrauen.
    Eine Überwachungskamera blickte von der Zimmerdecke auf sie herab. Auch ihr Lämpchen war erloschen.
    „Sagt mal, täusche ich mich, oder freut ihr euch?“ Sam zuckte mit den Schultern und betrachtete erstaunt die Faszination auf den Gesichtern der Jugendlichen. „Ist es euch plötzlich allen nach Selbstmord, oder was?“
    „War mir sogar selten so danach“, erwiderte der Junge, der eben noch den Manga gehalten hatte. Jetzt hatte er es auf den Kühlschrank gelegt, die Tür geöffnet, war in die Hocke gegangen und hatte sich in die gekühlten Medikamente vertieft.
    „Hat die Therapie dir nichts gebracht?“
    „Welche Therapie? Ich bin in den letzten Wochen nur rumgesessen. Alle Behandlungen, die ich bisher hatte, haben versucht, mich auf andere Gedanken zu bringen. Wenn du mich fragst, hat mich die ganze Zeit hier nur darin bestätigt, dass das Leben ein Haufen Scheiße ist. Wenn ich nicht einmal den Himmel sehen darf …“
    „Das hier ist ein bisschen, wie alte Freunde wiedersehen“, sagte Kaori. „Ohne die lästigen Seiten. Nur das angenehme.“ Sie streichelte den Griff des skalpellartigen Messers wie ein Waffenliebhaber ein Schwert. Fehlte nur noch, dass sie ein Auge zukniff und seine Geradheit prüfte …
    „Sorry, wenn ich einen magischen Moment zerstöre. Euch ist doch wohl klar, dass wir in eine Falle gelockt werden sollen.“ Sam legte einem
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