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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 16 Ikezukuri
Autoren: Martin Clauß
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antwortete der Grauhaarige. „Wenn ich meinen Namen eingebe, finde ich Ärzte, Rechtsanwälte, Wissenschaftler, Journalisten. Dann stelle ich mir vor, dass ich einer von ihnen sein könnte.“
    „Aha“, meinte Artur. Er ärgerte sich unbändig darüber, gefragt zu haben, denn nun begann der Mann zu reden und zu reden und hörte nicht mehr auf. Artur ignorierte ihn, obwohl er sich schlecht dabei fühlte, und versuchte eine weitere Suche. Er sagte sich, dass es die letzte für heute sein würde. Er fing schon an, wildfremde Menschen anzusprechen. Das tat er sonst nie.
    In das Suchfeld tippte er die Wörter „Artur Leik“ und „Schutzengel“.
    Die Suchmaschine fand fünfzehn Übereinstimmungen. Artur hob überrascht die Augenbrauen, klickte das erste Ergebnis an … und erschrak.
    Auf einer schwarzen Seite ohne jedes schmückende Element stand in weißer Schrift folgender Text:
    „Ich kenne einen Mann mit Namen Artur Leik. Dass er einen Schutzengel in sich trägt, wissen nur wenige. Doch ich kenne alle Geheimnisse. Komm zu mir, wenn du Artur Leik bist.“
    Dann folgte eine Anschrift.
    Es war ein Krankenhaus in Baden-Baden, dazu die Bezeichnung einer Station und die Zimmernummer 38. Ein Name war nicht vermerkt.
    Artur klickte die restlichen Suchergebnisse an, und alle führten sie auf ähnliche Seiten. In zehn Fällen war die Nachricht in verschiedenen Foren vermerkt, in den anderen handelte es sich um eigenständige Seiten wie die erste. Die Seiten enthielten kein Impressum, und die Forumseinträge waren allesamt unter demselben Alias gemacht worden.
    „Bernstein“ …

8
    Japan, 1996
    Eines der Mädchen war auf die Idee gekommen, das Haustelefon auszuprobieren. Es gab zwei Apparate – einer hing neben der Tür zum Dienstzimmer, der andere stand im Fernsehraum auf einem Kunststofftischchen, das ansonsten Platz für einen Stapel Zeitschriften bot. Langweilige Magazine. Vor allem aber Zeitschriften mit Klebebindung, ohne Heftklammern. Wie leicht stellten diese Leute es sich eigentlich vor, sich mit einer Heftklammer die Kehle durchzuschneiden?
    Die Telefone waren noch alte Geräte mit Wählscheibe. Drei Nummern waren auf einem fettigen Aufkleber vermerkt, die erste zum zentralen Dienstzimmer im Erdgeschoss, die zweite zu Dr. Andôs Büro, die dritte zur Pforte. Schon beim ersten Versuch merkten sie, dass die Leitung tot war. Dennoch probierten sie alle drei Nummern durch, auf beiden Apparaten. Mit demselben Ergebnis.
    „Wir sind von der Außenwelt abgeschnitten“, konstatierte Kaori, die eine Anführerrolle annahm, sobald man sie ließ. „Es gibt keine Fenster, durch die wir uns bemerkbar machen könnten. Keine Telefonverbindung. Und die Mauern sind dick. Wahrscheinlich würde man uns nicht einmal rufen hören.“
    „Wozu sollten wir rufen?“, fragte Sam, der einzige, der gewillt war, Kaori die Leitung der Gruppe streitig zu machen. Die anderen waren zu lethargisch, um sich in den Vordergrund zu drängen. Sie waren Schafe. Melancholische Schafe. „Denkst du, die haben uns vergessen?“
    Schweigen. „Vielleicht“, sagte eines der Mädchen nach einer Weile. Sie standen alle im Flur, in der Nähe des Knicks, und lehnten an den Wänden.
    „Dummkopf! Die gehen nicht da raus und vergessen uns einfach. Hat man so etwas Bescheuertes schon einmal gehört?“
    „Ich weiß nicht, ob es so eine bescheuerte Idee ist.“ Kaori stellte sich neben das Mädchen und schüttelte nervös ihre hellblonden Haare. „Manchmal denke ich, die wollen uns nicht heilen, sondern …“
    „Sondern was?“
    „Einfach wegschließen.“ Sie schluckte zweimal, und ihre Stimme wurde leiser. „Irgendwo einsperren, für lange Zeit, bis sich niemand mehr an uns erinnert.“
    Sam prustete los, aber seinem Lachen fehlte der Humor. Es fiel in sich zusammen, noch ehe es sich richtig aufgebaut hatte. „ Das tun sie ganz bestimmt nicht.“
    „Und wenn doch?“
    „Wir sind depressiv, Kaori, schon vergessen? Das ist ein himmelweiter Unterschied zu psychotisch. Wir stellen keine Verschwörungstheorien auf, das passt nicht zu unserer Diagnose, verstehst du? Komm schon, niemandem ist daran gelegen, dass wir verschwinden!“
    „Unseren Eltern vielleicht“, warf einer der anderen Jungen ein.
    Sam wandte sich ihm zu. „Glaubst du das im Ernst?“
    „Meinen Leuten ist das alles doch nur lästig“, sagte der junge Mann mit den langen Haaren. Er starrte dabei auf seine Füße, die in Turnschuhen mit Klettverschlüssen steckten. „Ein, zwei Mal
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