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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake
Autoren: Martin Clauß
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dem Lieferwagen vorbei und jagte auf die Anhöhe zu. Dort waren Menschen, rund fünfhundert Meter entfernt. Sobald sie sie erreichte, würde sie in Sicherheit sein. Wenn sie um Hilfe rief, wurden sie vielleicht schon früher auf sie aufmerksam. Sie wusste nicht, ob der Kerl vom Parkplatz nur ein harmloser Spinner war, der sich einen makabren Spaß mit ihr erlaubte, oder ...
    Beim Rennen fiel ihr auf, dass sie Hausschuhe trug. Sie verlor den rechten und entledigte sich absichtlich des linken, als sie merkte, dass sie ins Stolpern kam. Barfuß rannte sie weiter, das weiche Gras warm unter ihren Fußsohlen. Einige der Menschen wandten sich zu ihr um. Sie winkte erleichtert, und jemand winkte steif zurück. Aber keiner machte Anstalten, ihr zu Hilfe zu eilen.
    Das musste bedeuten, dass der Mann sie nicht verfolgte. Trotzdem wagte sie nicht, sich umzuwenden. Sie lief, bis sie die ersten Leute erreicht hatte. In kleinen Gruppen zu zwei, drei Personen standen sie umher, schwarz gekleidet, ausnahmslos. Die meisten sahen noch immer über die Anhöhe hinaus, wandten ihr den Rücken zu.
    Sie war außer Atem und verlangsamte ihr Tempo. Ihre Schritte wurden kürzer, ihr Atem ging keuchend. Der Geräuschpegel war gestiegen – Metal-Musik klang donnernd und mahlend aus der Mulde, die hinter dem Hügel war. Noch ein paar Schritte, dann würde sie den Scheitel der Anhöhe erreicht haben und einen Blick auf das werfen können, was sich jenseits davon in der Vertiefung abspielte.
    Eine Brise wehte ihr aus dem Tal entgegen, und die Luft roch nach den Ausdünstungen von Menschen. Und nach Rauch, nach brennendem Holz und Öl.
    Isabel ging ausgelaugt zwischen den Leuten hindurch. Dunkle Punkte tanzten vor ihren Augen, während der Wind immer mehr von der schlechten Luft herbeitrug. Schwarze Rußwolken wallten ihr entgegen, und ihre Lungen bekamen nicht den Sauerstoff, nach dem es sie verlangte. Im Vorbeigehen betrachtete sie die Leute. Eine Frau in einem stumpfen schwarzen Umhang verbeugte sich vor ihr. Zwei Männer gingen zur Seite, tuschelten etwas. Die meisten beachteten sie nicht.
    Doch Isabel sah etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Jeder der Menschen, die dort standen, hatte ein Stück Holz bei sich. Jedes sah anders aus. Manche waren ganze Lanzen, dünn und bis zu zwei Meter lang. Viele Stöcke waren nur kurz, manche davon armdick, einige wirkten zerbrechlich. Doch keiner, der nicht eine Spitze hatte.
    Holzpflöcke!
    „Ein rotes Kostüm“, raunte jemand in Isabels Nähe in englischer Sprache. „Was soll das darstellen? Blut?“
    „Das ist anzunehmen.“
    Wie betäubt stolperte Isabel weiter. Zehn Schritte noch, fünf, zwei, einen ...
    ... dann stand sie am Rand der Erhebung und sah hinab in die weite Mulde.
    Es war ein Anblick, den sie niemals in ihrem Leben vergessen würde.

6
    Die Senke war schwarz von Menschen. Wie viele es waren, konnte man unmöglich schätzen, aber in Isabels Kopf schwebte die Zahl 500.000 – das mochte hinkommen. Bis weit an die Hänge der flachen Hügel hinauf saßen und standen sie. Wellenartige Bewegungen liefen manchmal durch die Menge, als würden sich einige im hypnotischen Takt der Trommeln wiegen. Soweit sie sehen konnte, trugen alle diese Leute Schwarz. Fetzen schwarzer Farbe flatterten in die Höhe, wenn der Wind hineinfuhr. Vielleicht Haare, vielleicht Kutten und Umhänge.
    In unregelmäßigen Abständen gab es brennende Fackeln und Ölbecken, und nicht ganz in der Mitte der Menschenansammlung erhob sich eine Bühne. Von hier aus wirkte sie verloren und winzig, doch sie bot genügend Platz für ein halbes Dutzend Musiker und tonnenweise Verstärkeranlagen und Lautsprecher. Die Musiker standen gebeugt am Bühnenrand, schwankten leicht vor und zurück, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie in die sich zu ihren Füßen drängende Menge stürzten. Die Gitarren, die sie spielten, waren vollständig unter ihren weiten Capes und den nach vorn herabhängenden langen Haaren verborgen. Nur der Drummer bearbeitete im hinteren Teil der Bühne ein wirres Konstrukt aus Trommeln. Er knatterte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit durch die sonst eher träge Musik, und wenn sich Isabel nicht täuschte, dann waren es zerbrochene Drumsticks, die im Abstand von wenigen Sekunden als helle Lichtreflexe durch die Scheinwerfer geschleudert wurden, ganz, als spucke eine nicht zu stoppende defekte Maschine unablässig Ausschuss in die Luft. Der Sänger schnaubte zusammengekrümmt
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