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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake
Autoren: Martin Clauß
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Senke. „Die Pflanzen haben lange geschlafen. Sie müssen jetzt erwachen.“
    Es ist zu spät! , schrie es in Isabel. Ich habe nicht mehr genügend Zeit!
    Sie erreichte die Anhöhe. Niemand befand sich mehr dort. All die ernsten, blassen Vampirmenschen waren hinabgegangen, um sich zu opfern, auch die letzten, die noch unschlüssig gewesen waren, als sie eintraf. Bis zu dem weißen Lieferwagen waren es jetzt noch dreihundert Meter – eine schier endlose Distanz. Isabels Lungen brannten, und vor ihren Augen pulsierte abwechselnd Finsternis und gleißende Helligkeit. Sie hatte nicht ganz den kürzesten Weg gefunden, aber der Wagen war jetzt deutlich zu sehen. Beinahe schien es, als stünde ein Mensch davor.
    Ja, da war jemand.
    Langsam setzte er sich in Bewegung, kam auf sie zu.
    „Die ... die ...“ Sie hatte keine Kraft mehr zum Sprechen, geschweige denn, um zu rufen. „Die Schlüssel“, hauchte sie, als sie dem hageren Indio in die Arme fiel. Es war der Mann aus dem Fernsehen. Der Mann mit den Schneekugeln. „Die Schlüssel zum Wagen ...“
    „Was?“
    „Kommen ... kommen Sie“, brachte sie hervor. Sie riss ihn mit, in Richtung Wagen. Jetzt hatte sie eine Idee. „Wir müssen weg ... alles ... fliegt in die Luft ...“
    „Was?“, fragte er noch einmal. Er wirkte skeptisch, folgte ihr aber, ließ sich sogar auf den Beifahrersitz drängen und überließ ihr das Steuer. Er war ein Mensch, der es gewohnt war, Befehle zu empfangen, zu tun, was andere, weiße Leute von ihm verlangten.
    Auch wenn es für ihn keinen Sinn machte.
    Der Schlüssel steckte. Isabel drehte ihn herum, startete den Motor, legte den Gang ein und stieg aufs Gaspedal. Der Lieferwagen fuhr ruckartig an, und sie lenkte ihn vom Parkplatz weg auf die freie Wiese. Die Sonne ging gerade unter. Der Wagen war schwer, wahrscheinlich voll beladen mit Schneekugeln.
    Isabel beschleunigte und raste über das Gras, auf die Erhebung zu, hinter der sich die Senke befand. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
    „Nicht!“, schrie der Indio, als sie sich dem Kamm des Hügels näherten. Er griff ihr ins Lenkrad und riss es mit aller Kraft zu sich herum. Hätte er nicht reagiert, hätte Isabel eine Sekunde später dasselbe getan.
    Der Lieferwagen schaffte die plötzliche Richtungsänderung nicht und kippte um. Isabel blieb auf dem Gas, um sicherzustellen, dass das Fahrzeug sich auch ganz bestimmt hinlegte. Krachend fiel es auf die Seite, und die beiden Menschen im Führerhaus wurden aus ihren Sitzen geworfen.
    Isabel, die sich den Kopf angeschlagen hatte und noch immer blutete, kletterte an dem benommenen Mann vorbei nach oben und stieg aus dem Fenster der Beifahrertür. Sie stellte sich auf den umgekippten Wagen, der am Rande der Senke lag. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf die Menschenmenge.
    Der Himmel veränderte sich in Sekundenschnelle. Die dicken Wolken schienen herabzustürzen, und ein heftiger Schneeschauer entlud sich über die schwarze Menge.
    Das Letzte, was sie noch sah, ehe das Wetter sich zu einem Blizzard ausweite, war die finstere Gestalt da unten auf der Bühne. Sie fiel in sich zusammen, schien zu erstarren und – wenn sie recht gesehen hatte – zu zerspringen wie Glas in der Kälte.
    Die Menschen ergriffen die Flucht, rannten nach allen Seiten davon. Irgendjemand schrie: „No snow!“ Dann schob sich der Schnee wie eine weiße Wand zwischen sie und die Szenerie.
    Sie lebten noch.
    Isabel kletterte im Schneegestöber nach unten und öffnete die Tür des Laderaums.
    Wie sie gedacht hatte – der Wagen war voll mit kleinen Schachteln, und als sie eine beliebige öffnete, kam eine Schneekugel zum Vorschein. Eine der Kugeln mit dem Adler darin. Es mochten einige tausend sein.
    Und jetzt schneite es in jeder einzelnen davon. Winter. Kälte. Die Feinde des Adlergottes Xipe Totec.
    Gebannt stand Isabel im Schneesturm. Seine eisige Kälte kam ihr wie tröstende Kälte vor.
    Irgendwann drückte der Schnee sie zu Boden. Sie brach nieder, sah sich noch einmal um und konnte nichts als weiße Farbe erkennen. Die Welt war von Schnee bedeckt, weißgewaschen.
    Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder öffnete ...

8
    „... war ich zu Hause in der Diele. Die Überreste der Schneekugel lagen noch immer verstreut auf dem Fußboden, und meine Mutter kniete neben mir, hielt mich im Arm. Ich sei ohnmächtig geworden, sagte sie.“
    Isabel blickte abwesend dem Kellner nach, der zigmal nach ihnen geschielt hatte. Zu lange saßen sie schon vor
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