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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake
Autoren: Martin Clauß
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geschehen würde.
    Isabel spürte den Moment ebenfalls kommen. Plötzlich war er da, und es gab keinen Ausweg mehr.
    Sie holte weit aus und schleuderte die Kugel an ihrer Mutter vorbei.
    Gegen die Wand.
    Annette hatte noch versucht, danach zu greifen, doch es war unmöglich, das Unglück aufzuhalten. Das Wurfgeschoss streifte ihre Hand, und die Frau schrie auf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ging sie zu Boden, hielt sich die Finger. Ihr Erinnerungsstück war bereits hinter ihr an der Wand zerschellt.
    Isabel hatte genau beobachtet, wie die Schneekugel zersplitterte.
    Alle Achtung , dachte sie. Wenigstens ist es echtes Glas, kein Kunststoff.
    Die Scherben spritzten, das Wasser, mit dem die Kugel gefüllt war, verteilte sich auf der Wand und lief zu Boden. Auf dem Teppich entstand ein nasser Fleck und wuchs zusehends.
    Aber noch etwas anderes geschah.
    So, wie das Wasser an der Wand herablief, so verschwamm auch die Szene vor Isabels Augen. Die Diele mit der Vitrine, den Schränkchen, den Fotos an den Wänden ... ihre Mutter, die wimmernd auf dem Fußboden kauerte ... alles lief in Schlieren herab, als wasche eine unsichtbare Flüssigkeit dies alles herab.
    Die Welt, die Wirklichkeit, sie löste sich auf!
    Isabel fühlte sich schwindelig. Sie taumelte und suchte nach einem Halt. Doch dort, wo eben noch die Vitrine gewesen war, war nichts. Nicht einmal eine Wand gab es mehr.
    Sie kniff die Augen zusammen und sah, wie der letzte Rest der Diele – ein Stück von der Tür des Schuhschränkchens – hinabgewaschen wurde. Weggeputzt von einem gnadenlos starken Reinigungsmittel.
    Nun war nur noch weißes Nichts vor ihr.
    Isabel bekam kaum Luft. Ihr Herz raste, und der Schwindel wurde immer stärker. Was war das? Eine Ohnmacht? Ein Herzanfall? War sie nicht zu jung für so etwas?
    Sie sank auf die Knie, um nicht umzufallen. Wenigstens einen Boden gab es noch. Er war vollkommen eins mit der weißen Umgebung, aber er war da. Sie konnte ihn spüren. Sie stürzte nicht in ein bodenloses Loch.
    Für einen Moment schien es keine Luft mehr zu geben. Eine Art Vakuum. Dann konnte sie wieder atmen.
    Wie lange sie dort kniete und zu Boden starrte, wusste sie nicht. Sekunden, Minuten ...
    Mit einem Mal entstand eine Struktur um sie herum. Dünne Ärmchen schoben sich aus dem Boden, Schatten zuerst. Dann füllten sie sich von innen heraus mit Farbe, und Isabel sah, dass es keine Ärmchen waren, sondern Grashalme. Sie fasste sie an, und für ein paar Sekunden fühlten sie sich brüchig und spröde an. Sie zerrieselten zwischen ihren Fingern zu grauem Staub.
    Doch das änderte sich. Eine Wiese breitete sich unter ihr aus, über ihr spannte sich ein dunkler, mit schweren Wolken verhangener Himmel. Jetzt war das Gras weich, der Boden kühl. Ein leichter Wind wehte, und ein schwer einzuordnender Geruch erfüllte die Luft.
    Die Welt kehrte zurück. Aber es war nicht die Welt, die sie verlassen hatte.

5
    Isabel vernahm Geräusche. Zuerst glaubte sie das Rauschen des Meeres zu hören.
    Nein. Das waren Menschen. Zahllose Menschen, deren Stimmen sich zu einem unentwirrbaren Brausen vermischten. Und andere Klänge legten sich darüber, klagend, heulend ...
    Gepeinigte Tiere?
    Elektrische Gitarren ...
    Sie kam auf die Beine. In der Richtung, in die sie sah, gab es eine kleine Anhöhe. Einige Menschen standen dort und blickten offenbar über den Hügel hinweg. Niemand sah in Isabels Richtung.
    Als sie sich umwandte, stellte sie fest, dass hinter ihr eine Art Parkplatz war. In mehreren Reihen standen die Autos, die meisten davon Lieferwagen. Der Platz war nicht geteert. Es handelte sich einfach um ein ebenes Wiesenstück, und einige der schwereren Fahrzeuge hatten hässliche Narben aus Erde in das Gras gerissen. Begrenzungen waren nur an einer Seite in Form eines gespannten Seils zu erkennen.
    Irgendwo in der dritten Reihe stieg jemand aus seinem Wagen. Er trug schwarze Kleidung, die wie Leder glänzte. Ja, es musste ein Motorrad-Overall sein.
    Wie war sie hierhergekommen? Hatte sie nicht eben noch in der Diele ihres Hauses gestanden? Das war nicht möglich. Sie musste ohnmächtig geworden sein und die Szene, in der sie zu Hause mit ihrer Mutter gestritten hatte, nur geträumt haben. Der Traum war ausgesprochen real gewesen.
    Aber ... sie kannte diesen Ort nicht. Sie hatte ihn nie zuvor gesehen.
    Manchmal achtet man zuerst auf die Dinge, die weiter von einem entfernt sind. So erging es auch Isabel, und damit dauerte es einige Minuten, ehe sie dem
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