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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 10 Woodstake
Autoren: Martin Clauß
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Variationen. Es war ... es war, als würde ein Düsenjäger über einen hinwegdonnern und man könnte im Motorengeräusch die Stimmen der Techniker erkennen, die das Flugzeug konstruiert und gebaut hatten.
    Selbst die Holzpflöcke, die alle ausnahmslos bei sich trugen, sah sie jetzt in aller Vielfalt, konnte jeden Schnitt des Messers nachempfinden, mit dem die Spitzen geschnitzt worden waren.
    Natürlich beunruhigten sie die Pflöcke noch immer. Sie waren das einzige, was ihr noch Angst machte.
    Woodstake ... was wollte eine halbe Million Menschen mit einer halben Million angespitzter Pflöcke? Eine halbe Million Vampire pfählen? Wo sollten so viele Blutsauger herkommen?
    Allmählich wurden die Reihen so dicht, dass sie sich mit Gewalt zwischen den Menschen durchzwängen musste. Die Leute nahmen es gleichmütig hin. Selbst jene, die aussahen, als würden sie in ihrer Freizeit gefesselte und geknebelte Frauen zu Tode prügeln, beschwerten sich nicht. Eine merkwürdige Art von Frieden und Nächstenliebe herrschte unter den Besuchern dieses Konzerts, keine warme Liebe, sondern die kalte, ernste Liebe, die die Toten zueinander empfinden mochten ...
    Die Bühne kam näher. Ab und zu sah Isabel sie, dann verschwand sie wieder hinter den Köpfen großer, Todesengeln ähnlicher Gestalten. Die Band, die eben gespielt hatte, trat ab, zog ihre Instrumente in einem Gewirr von Kabeln hinter sich her, machte Platz für etwas Neues.
    In diese Stille hinein erschien plötzlich ein bekanntes Gesicht!
    Nicht auf der Bühne, sondern unter den Menschen, durch deren Reihen sie sich wühlte, tauchte jemand auf, den sie schon einmal gesehen hatte.
    Ein junger Mann in einem capeartigen Mantel, blass und schlank, mit hellen Augen. Er hielt einen besonders langen, dünnen Pflock wie einen Spazierstock, mit dem stumpfen Ende nach unten, die Spitze nach oben. Isabel fiel zunächst nicht ein, woher sie ihn kannte. Sie hatte das Gefühl, er würde nicht an diesen Ort passen, und das, obwohl er durchaus angemessen gekleidet war und den passenden, feierlichen Gesichtsausdruck hatte.
    Einen Gesichtsausdruck, den sie auf seinem Gesicht noch nie zuvor gesehen hatte!
    Dieser Mann war ihr Vater, Mark Holzapfel!
    In seiner Jugend. Er konnte höchstens Mitte zwanzig sein.
    Aber in seiner Jugend hatte er nie so ausgesehen. Auf Fotos aus der Zeit hatte er seine Haare stets lang getragen, meistens ungekämmt und fettig. Hier waren sie kurz, sorgfältig frisiert und sahen aus wie mit Puder bestäubt.
    Sie brachte keinen Laut hervor, starrte ihn nur an.
    Er schien sie nicht zu kennen. Wie sollte er auch? In diesem Alter hatte er noch keine Tochter gehabt.
    Aber ... was bedeutete das? In welcher Zeit hielt sie sich auf?
    Dieses Konzert war ein Gothic-Konzert. Diese Musik- und Moderichtung hatte es noch nicht gegeben, als ihr Vater in seinen Zwanzigern war! Es passte nicht zusammen. Nicht einmal, wenn man eine Zeitreise für möglich hielt, machte das hier einen Sinn. Sie war weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart.
    Aber es fühlte sich wirklicher an als die Wirklichkeit.
    Hinter ihrem Vater tauchte ein Mädchen mit langen, schwarz gefärbten Haaren auf. Isabel erkannte ihre Mutter sofort. Ihr Gesicht war ernst, hatte nicht den verklärten Zug, den ihre Tochter mit diesem Gesicht verband. Auf gewisse Weise wirkte es trotz seiner Jugend reifer. Ihr Pflock war kurz und sah zerbrechlich aus. Um den Hals trug Annette ein silbernes Kreuz mit einem winzigen Rubin an jedem der vier Enden.
    Isabels Blicke blieben an dem Gegenstand hängen.
    Das musste das Schmuckstück sein, von dem ihre Mutter immer erzählte. Angeblich hatte sie es in Woodstock getragen und dort verloren. Und jetzt hatte sie es wieder ... oder ... noch ...
    Ohne sich dessen bewusst zu werden, streckte Isabel ihre Hand danach aus. Es war ein bisschen wie vorher – als ihre Hand wie von selbst die Schneekugel gesucht und aus der Vitrine genommen hatte.
    Würde sie dieses Kreuz auch zerstören, wie sie das kitschige Erinnerungsstück zerstört hatte?
    Annette protestierte nicht, als Isabel den Anhänger anfasste. Die Frau, die ihre Mutter war – oder später einmal sein würde –, sah sie fragend an. Mark betrachtete die beiden interessiert von der Seite, griff nicht ein.
    Und wieder kam so ein Moment, an dem Isabel einfach handelte, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Sie dachte an ihre Eltern – nicht diese hier, die anderen! An die Annette Holzapfel, die sie kannte. Die sich
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