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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos
Autoren: Niklas Maak
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Ihr, die Ihr zur Yogastunde geht und Euch Gesichtscremes kauft und die dumme, einlullende Musik von Pur hört und abends zuschaut, wie Heidi Klum die dünnen Beine der dummen Mädchen begutachtet, die ein Leben wie Ihr führen wollen. Wir verstehen Euer Elend; Ihr habt nicht die Kraft, es zu beenden, weil die Angst Eure Kraft auffrisst, weil Ihr alle Energie darauf verwendet, nicht berührt zu werden – weil Ihr in Euren klimatisierten Geländewagen versucht, dem Tod zu entgehen und für Eure kleinen, traurigen Seitensprünge im Büro Kondome benutzt, weil Ihr Angst vor Infektionen und um Eure Rente und vor einem islamistischen Anschlag am Hauptbahnhof habt. Wir werden anders sein. Wir werden nackt sein. Wir werden nichts zu verlieren haben; das wird unsere Freiheit sein, und diese Freiheit wird groß und strahlend sein.
     
    Leuchten, Freiheit, Strahlen – was für ein Quatsch, sagte sich Berger und klickte in die wirren Kommentare; »Vierunddreißig Personen gefällt das«, stand unter dem Machwerk. Er wurde das Gefühl nicht los, dass all das hier gegen ihn geschrieben worden war. Der kleine Scheißer schrieb im Netz über ihn. Um diesen Kram zu verfassen, damit Mina und die anderen es lesen konnten, brauchten sie Laptops und Handys, dafür brauchten sie Koltan aus dem Kongo und Fabriken in China. »China wird sich erheben« – träum weiter, schöner kleiner Iltis, dachte Berger, wenn China sich erhebt, ist Schluss mit euren Laptops.
    Im Fernseher hinter ihm vermeldete CNN die neuesten Kursabstürze. Danach lief eine Werbung für Lebensversicherungen; eine lachende Frau lag in den Armen eines Mannes, der ein Motorboot in den Sonnenuntergang steuerte.
    Berger gab die Stichwörter »dream wife« und »find« ein.
    Auf seinem Computer baute sich jetzt eine Seite mit dem Titel coincidencedesign.com auf.
    Er sah eine attraktive Frau von hinten, die in einem Sommerkleid irgendwo durch New York lief. Daneben stand: »Sie ist die perfekte Frau. Überwältigend attraktiv. Ihr Lachen ist mitreißend, ihr Körper mehr als das. Sie ist eine intelligente Gesprächspartnerin. Vielleicht kann sie sogar Fallschirm springen. Wer ist sie?«
     
    Wer war sie? Er klickte weiter.
    »Sie ist deine Traumfrau«, erklärte die Webseite. »Du bist erfolgreich, du fährst ein teures Auto« (na ja, dachte Berger), »besitzt eine großzügige Villa und schwimmst im Geld« (das nun leider auch nicht mehr, dachte er).
    »Du gehst ins Fitnessstudio und bist nicht auf den Mund gefallen. Trotzdem hast du deine Traumfrau noch nicht gefunden. Die Frauen, mit denen du dich verabredest, entsprechen nicht dem, wovon du träumst.«
    Die kennen mich, dachte Berger, das bin ich.
    »Also, was tun?«, fragte die Webseite.
    »Du wirst deine Traumfrau nicht über die Partnervermittlung kennenlernen, weil eine Frau, wie du sie suchst, sich dort nicht herumtreibt. Du kannst, selbst wenn du sie triffst, nicht einfach zu ihr hinmarschieren und sie anmachen, denn wenn du das tust, wird sie dich verachten. Auch wenn du das Glück hast, sie bei einer Hochzeit oder einem Geschäftstermin zu treffen, wirst du enttäuscht feststellen müssen, dass sie schon mit jemand anders dort ist. Es wäre ohnehin sinnlos – solche Frauen werden die ganze Zeit von Männern angemacht. Was willst du also tun? Du kannst sie nicht verfolgen. Du bist kein Psycho-Stalker. Aber: Wir können das für dich tun.«
    Berger las mit einer Erregung weiter, als wohnte er einer ungeheuerlichen Tat bei. Der Webseite von Coincidence Design zufolge gab es drei Phasen. In der ersten Phase entwarf ein Team von Psychologen mit dem Kunden das Bild der Traumfrau und begab sich auf die Suchenach ihr. Dem Kunden wurden mehrere Kandidatinnen vorgelegt. Die Favoritin wurde ausspioniert, auf Psychosen, kriminelle Vergangenheit, Anomalien durchleuchtet.
    In der zweiten, der Investigationsphase wurde ein Dossier über ihre Interessen angelegt: Was interessiert sie, was hat sie im vergangenen Sommer getan, was macht ihr Angst, was hasst sie? »Wenn das Dossier erstellt ist«, erklärte die Webseite, »weißt du mehr über sie, als sie selbst. Bis zu zwölf Experten werden an diesem Dossier arbeiten.«
    Dann kam die »Execution phase«: »Wir reden über den idealen Ort. Wäre es richtig, sie zuerst bei einer Party in Kalifornien zu treffen und dann, drei Monate später, in einem New Yorker Restaurant? Wir trainieren in dieser Phase mit dir auch, natürlich zu wirken, damit sie keinen Verdacht schöpft.«
    Er
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